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Schatz bewachen, just so, wie bei der sogenannten „steinernen Kirche“, deren geringe Trümmer in einem Wäldchen bei Themar noch sichtbar sind.


22.
Seelweckchen.

Auf der Mauer der steinernen Brücke, welche nahe beim Kloster Veßra über die Schleuse führt, ganz nahe der Stelle, wo diese sich mit der Werra vereinigt, erblickt man eine Brätzel und einen Namen dieser Gestalt ANNA ARNERTA † 1612 – als Wahrzeichen eingehauen. Diese Zeichen sollen ihren Ursprung einem Ereigniß danken, das zur Sage verklungen ist. Ein junges hübsches Bäckermädchen aus Themar, die einzige Tochter wohlhabender Aeltern, wurde mit einem Korbe voll Brätzeln und Semmeln nach Veßra geschickt. Da der Korb schwer war, so ruhte das schöne Kind sich aus auf der dazu ganz geeigneten Brückenmauer, nahe da, wo sich die Wege scheiden. Sei es nun, daß des Korbes Schwere allein die Jungfrau rücklings niederzog, sei es, daß der dort wohnende Wassergeist Hackelmärz dieß that, genug, sie sank sammt ihrem Korbe rücklings nieder und fand ihren Tod in der Fluth. Am andern Tage wurde sie erst gefunden. Die Aeltern ließen alle Jahre an dem Unglückstage ihrer Tochter Semmeln und Brätzeln an die Schulkinder vertheilen, auch auf die Veßraer Brücke zum Andenken, oder auch zur Warnung für Diejenigen, welche schwer belastet da vorüber kommen und in ähnliche Gefahr gerathen möchten, jene

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/43&oldid=- (Version vom 1.8.2018)