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Gluth, und obschon der Nachtwächter sogleich Feuer rief und tutete, so währte es doch lange, ehe genügende Hülfe kam, weil die Menschen im ersten Schlafe lagen, indeß das Feuer immer weiter um sich griff, und eine Reihe Häuser bald zu gleicher Zeit brannten, und es setzte sich die Gluth fort bis an jene Ecke, an der die nächtliche Wehklage verschwunden war, da stand das Feuer, wie gebannt, und fraß nicht weiter.

Solches Gespenst der Wehklage kennt man auch in andern Städten Thüringens, so namentlich in Weimar, wo auch ein gespenstiges Klageweib wimmernd und sich jammervoll gebehrdend durch die Straßen geht, wenn es brennen will, oder der Stadt sonst ein Unglück droht.


20.
Mehl-Eiche.

Auf der Straße von Hildburghausen nach Schleusingen kommt man durch die Stadtwaldung, und in dieser ist es nicht geheuer. Vor nicht gar zu langer Zeit ging eine alte Frau in jenen Forst ins Leseholz, und als sie so recht im tiefen Walde war, sah sie unter einer ganz alten Eiche eine schlossenschleierweißgekleidete und todtenbleiche Frau, die trug auf ihrer Schulter einen langen und schweren Sack voll Mehl, ruhte damit an der Eiche, und winkte der armen Frau, näher zu ihr hinzukommen, gab ihr auch zugleich mit Gebehrden zu verstehen, sie möge ihr den Sack abnehmen. Die arme Alte aber hatte Angst und fürchtete sich, und sah wo anders hin – wie sie aber nun endlich

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/41&oldid=- (Version vom 1.8.2018)