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von Wangenheim einen Hund, der hieß Stutzel, und war geschickt, treu und klug, so klug, daß man ihn als einen treuen Boten mit Briefen nach Gotha auf das Schloß Friedenstein schicken konnte. Dieser Hund blieb auch noch der Wittwe jenes Jägermeisters lieb und werth, fast allzulieb, denn als derselbe der Natur seinen Tribut gezahlt, und gestorben war, war die Jägermeisterin Wittwe ganz außer sich vor Schmerz, ließ für den Hund einen Sarg machen, wie für einen Christenmenschen, weinte sehr um ihn und verlangte zumal, daß ihre ganze Dienerschaft ebenfalls um den Stutzel weinen sollte. Letztere that dies auch, mindestens that sie so, als weine sie rechtschaffen; dafür bekam sie auch Trauerkleider von der Herrin geschenkt. Einzig nur die alte Köchin, deren Augen um den Hund völlig trocken blieben, that nicht einmal, als ob sie weine, da bekam sie tüchtig Schelte, worauf sie eine Zwiebel zerschnitt und sich die beiden Hälften an die Augen hielt. Darauf thräneten ihr baß die Augen, und als sie nun so der Herrin unter deren Augen trat, ward letztere tief gerührt, und schenkte der alten Köchin auch ein schönes neues Trauerkleid. Nun wollte Frau von Wangenheim den Stutzel durchaus auf den Gottesacker begraben haben, weil er ein gar so frommes Hundevieh gewesen, dagegen widersetzte sich der Pfarrer und sagte, dieß gehe nicht an. Aber die Frau Wittwe bestimmte der Kirche 100 Thaler, und dem Pfarrer 50 Thaler, da mußte es angehen, um der Armuth des Kirchleins und des Wintersteiner Pfarrers Willen. Und hatte der Hund eine sehr schöne Leiche. – Als aber die Sache im Lande ruchtbar wurde, wurden die Einwohner von Winterstein von ihren nachbarlichen Umwohnern furchtbar geneckt und verhöhnt, daß auf ihrem

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 236. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/244&oldid=- (Version vom 1.8.2018)