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höher stieg, der Landgraf aber auf einem Heereszuge begriffen war, ließ die Landgräfin die Fruchtspeicher öffnen, ließ täglich Brod backen, und vertheilte dieses täglich an 300 Arme, andere nennen sogar 900. Auch die Tafelreste wanderten zur Burg hinaus, wo die Armen in Schaaren lagerten, darüber das Burggesinde nicht wenig murrte. Wenn es immer noch nicht reichte, denn je mehr gegeben ward, je mehr Arme gab es, die zu nehmen geneigt waren, verkaufte Elisabeth selbst ihre kostbaren Gewänder und Kleinodien, und theilte das Geld aus. Wenn sie in Eisenach in die Kirche ging, konnte sie jedesmal vor Bettlern kaum hinein, und so hatte sie einst schon alle ihr Geld hingegeben, als noch ein alter Mann ihr den Weg verstellte, und auf das beweglichste mit Bitten anhielt, auch ihm etwas zu schenken, und sie bis in die Kirche hinein verfolgte. Da zog Elisabeth einen ihrer mit Silber gestickten Handschuhe aus, und gab diesen dem unabweisbaren Alten. Das sahe ein Ritter, der auch in die Kirche sich begab, der lösete alsbald von dem Alten den Handschuh um vieles Geld ein, und befestigte denselben dann als ein Kleinod auf seinem Helme, zog in das heilige Land und kämpfte stets siegreich, denn der Handschuh der hehren Frau schützte ihn wie ein wunderbarer Talisman. Dann hat der Ritter den Handschuh zum ewigen Danke in sein Wappen aufgenommen.

Es offenbarte sich an der frommen Landgräfin mehr und mehr eine göttliche Kraft; sie heilte Kranke durch das Auflegen ihrer Hände, machte Blinde sehend, und richtete gekrümmte Glieder wieder gerade. Ein Heilmittel, von ihrer Hand gereicht, verfehlte nie seiner Wirkung. Daher begann das Volk sie als eine auserwählte Lieblingin

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 174. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/182&oldid=- (Version vom 1.8.2018)