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ihn von seiner Treue gegen seine traute Verlobte abwendig zu machen, anderntheils ihn gar zu bewegen, sich zeitig zu vermählen und Elisabeth, da sie noch zu jung, lieber wieder in ihre Heimath zurückzusenden, und dieß mit den Umständen, die einem jungen Regenten zur Pflicht machen, für die Fortdauer seines Stammes in Zeiten zu sorgen, zu entschuldigen. Elisabeth blieb alles, was gegen sie gesonnen und geredet wurde, nicht verborgen, und sie machte den redlichen Schenken von Vargila zum Vertrauten ihrer bangen Befürchtungen. Dieser sprach deshalb auf einem Waldritt mit seinem jungen Herrn, der aber deutete hinüber auf das Gebirge, über das der Inselberg sein mächtiges Haupt erhebt, und erwiederte: Siehst Du dort den großen Berg? Wäre der ganz von Golde und mein, so wollte ich ihn doch lieber missen, als daß ich Elisabeth mißte, meine liebe Braut. Was auch immer die Leute reden und sagen mögen, glaube, daß Elisabeth mir lieber ist, als alles auf der weiten Erde. Und da Walther fragte, ob er diese Rede ihr ansagen dürfe, erwiederte Ludwig: Ja, das sage ihr nur, und gieb ihr zum Wahrzeichen dieses Andenken! und reichte dem Schenken einen Hand-Spiegel in Elfenbein gefaßt, auf der Rückseite mit einem Crucifix, kunstvoll geschnitten. Darüber wurde Elisabeth von Herzen froh, und küßte den Spiegel, und dankte Gott und dem Ritter.

Nach dem Antritte seiner Regierung ließ sich der junge Landgraf in der St. Georgenkirche feierlich zum Ritter schlagen, in Gegenwart aller seiner thüringischen und hessischen Vasallen, denn er wollte von niemand die Ritterschaft empfangen als von Gott und den Seinigen; hernach kämpfte er manche Fehden durch, strafte Aufwiegler

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/172&oldid=- (Version vom 1.8.2018)