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Einfachheit wieder zu erzählen, da sie nun einmal in einem Thüringischen Sagenbuche nicht fehlen dürfen. Wozu auch der Schmuck moderner Dichtung für sie, die in ihrer hehren Einfachheit schon hinlänglich schön und unvergänglich sind.

In uralten Zeiten hatte das Erzbisthum Mainz vom Kaiser Otto dem ersten das Thüringerland zu Lehen überkommen. Später war ein Mann vom Geschlechte der Karolinger am Hofe Kaiser Conrads und Gisela’s, seiner Gemahlin, der hieß Ludwig, und wurde groß und gewaltig am Kaiserhofe, und der Kaiser sandte ihn an den Bischof zu Mainz, daß ihn der belehne mit Land und Leuten, wegen besonderer Ansprüche, die Ludwig an den Stuhl zu Mainz hatte. Darauf sandte ihn der Bischof von Mainz nach Thüringen und machte ihn zu einem Vizthum dieses Landes, und gab ihm das Geleite und sonstige Gerechtsame und Einkünfte zu Lehen. Das geschahe im Jahre 1036, daß Ludwig mit dem Barte, wie er genannt wurde von dem langen Barte den er trug, nach Thüringen kam, und daß allen Grafen, Freien, Rittern und Knechten, Bürgern und Bauern geboten wurde, ihm Folge zu leisten und gehorsam zu sein. Ludwig nahm sich alsobald des Landes treulich an, ordnete Zoll und Geleite, setzte Amtleute in Schlösser und Städte, bestimmte und regelte die Grenzen, ließ die Wälder in Thälern und Gründen ausroden, das Land überwachen, baute neue Dörfer, und besetzte sie mit Insassen, die er aus Nähe und Ferne herbeizog. Dann erbauete er eine gute stattliche Burg auf dem Berge über Friedrichrode, und sprach da: „Nun schaue welch eine Burg!“ Da wurde ihr der Name Schauenburg gegeben. Ludwig mit dem Barte aber mehrte fort und fort das

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/149&oldid=- (Version vom 1.8.2018)