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wiederholt sich genau wie auf dem Harze, bei Blankenburg auf dem Thüringer Walde und im Elsaß die Sage von einem Riesentöchterlein, das sich einst zu seiner Lust erging und einen Ackersmann fand, den es sammt Vieh und Pflug in das Schürzchen raffte und freudig zum Vater auf die Burg trug, indem es sich über das niedliche zappelnde Spielzeug kindisch freute. Der alte Ritter aber gebot dem Töchterlein, alsbald alles wieder dahin zu tragen, woher es genommen sei, und ja recht säuberlich damit umzugehen, damit Männlein und Pferdchen nicht Schaden litten; denn – sagte der alte Riese: wenn die Bauern nicht ackern, so müssen die Riesen verhungern, und gab damit eine gar gute und wohl zu beherzigende Lehre. Häufig kegelten auch die Riesen miteinander; ihre Kegelbahn erstreckte sich vom Oertchen Tossenthal – im Volksmunde Tussethal – (Thurs altnordisch so viel wie Riese, auch der Runenbuchstabe Thorrs, Dorst in der Schweiz der wilde Jäger, Tosse in dänischer Sprache: ein plumper Riese, Tölpel) über eine halbe Stunde weit gegen Eisfeld zu.

Nicht selten verwechselte die spätere Sage Riesen und Ritter, oder vielmehr, sie trug, was die längst vermoderten Ahnen in grauer Vorzeit den jüngeren Geschlechtern von den Riesen erzählt hatten, auf die Ritter über. So deutet eine Eisfelder Sage ebenfalls in eine mythische Ferne. Vor alten Zeiten floß die Werra durch Eisfeld, zwischen dem Schwan und dem Adler vorüber und bildete einen sumpfigen Weiher, der im Winter zu einem wahrhaften Eis-Felde sich ausbreitete. Einst wurde eine Ritter-Schaar, die Sage giebt bedeutsam deren Zahl auf vierzig an, vom Feinde heftig verfolgt. Die Fliehenden geriethen in jenen Weiher, dessen Eisdecke unter den Hufschlägen ihrer Pferde

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/12&oldid=- (Version vom 1.8.2018)