Seite:Lorentzgruppe (Klein).djvu/1

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
XXX. Über die geometrischen Grundlagen der Lorentzgruppe.
Vortrag, gehalten in der Göttinger Mathematischen Gesellschaft am 10. Mai 1910.
[Jahresbericht der Deutschen Mathematiker-Vereinigung, Bd. 19 (1910)]

Sie haben alle in mehr oder minder bestimmter Form davon gehört, daß sich die Theorie der Lorentzgruppe oder, was dasselbe ist, das moderne Relativitätsprinzip der Physiker in die allgemeine Lehre von der projektiven Maßbestimmung einordnet, wie sich diese im Anschluß an Cayleys grundlegende Arbeit von 1859 entwickelt hat. Es entsprach noch einer Verabredung mit unserem verstorbenen Freunde Minkowski, daß ich diese Sachlage im verflossenen Wintersemester in meiner Vorlesung über projektive Geometrie des näheren ausführte, bzw. als das abschließende Ergebnis meiner Vorlesung hervortreten ließ. Die Lehre von der projektiven Maßbestimmung, die schon nach so manchen Seiten hin grundlegend geworden ist, gewinnt hier eine neue und überraschende Anwendung, während sich andererseits die modernen Entwicklungen der Physiker, die dem Neuling so leicht den Eindruck des Paradoxen machen, sozusagen als Korollare eines allgemeinen seit lange wohlgeordneten Gedankenganges erweisen. Es kann nicht fehlen, daß dieses Zusammentreffen zweier nach ihrer historischen Entstehung gänzlich getrennter Gedankenkreise nach beiden Seiten hin in hohem Maße anregend wirken muß; ich hoffe um so mehr auf einiges Interesse hierfür gerade auch seitens der Physiker, als die Geometer schon mancherlei Einzelresultate herausgearbeitet haben, die sich in der Werkstätte der theoretischen Physik nunmehr als willkommene Hilfsmittel bewähren möchten.

Wenn ich nun heute unternehme, Ihnen das Gesagte nach seinen wesentlichen Grundlinien näher auszuführen, so stehe ich allerdings vor einer großen Schwierigkeit: ich werde nicht umhin können, den Gruppenbegriff sowie gewisse fundamentale Begriffsbildungen der projektiven Geometrie, wie homogene Punkt- und Ebenenkoordinaten, die den linearen Substitutionen dieser Koordinaten entsprechenden Kollineationen, endlich für jede aus Kollineationen gebildete Gruppe das Vorhandensein einer zugehörigen

Empfohlene Zitierweise:
Felix Klein: Über die geometrischen Grundlagen der Lorentzgruppe. Julius Springer, Berlin 1921, Seite 533. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lorentzgruppe_(Klein).djvu/1&oldid=- (Version vom 1.8.2018)