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Wir haben nur ein lied,
Das paßt auf alle fälle,
Wir sind damit zur stelle

Das zauberlied lautet:

Wir lassen ihn, wir lassen ihn, wir lassen ihn hoch leben.

Ich zitiere ungenau aus dem gedächtnisse, da die aufführung schon zehn jahre her ist.

Solche estudiantes waren unsere architekten. Sie wußten auch nur ein lied. Es hatte zwei strophen: das profil und das ornament. Und mit demselben profil und demselben ornament wurde alles bearbeitet und gearbeitet, fassaden und notentaschen, tintenfässer und klaviere, schlüsselschilder und ausstellungen. Auch glas- und tonwaren. Zuerst wurde ein strich gezogen und dann links oder rechts davon, je nachdem der künstler rechts- oder linkshändig war, darauf losprofiliert, profiliert, daß es eine freude war, zuzusehen. Die profile flossen nur so aus dem bleistift heraus. Plättchen, hohlkehle, plättchen, wulst, plättchen, hohlkehle, plättchen, wulst, dazwischen mal ein karnies. Dann wurde dieses profil herübergepaust, und der rotationskörper war fertig. Nun kam die zweite strophe: das ornament. Auch das wurde mit hilfe der geometrie gelöst, mit der man allerdings, wie es im liede heißt, nicht den inhalt der gurke ergründen, aber rotationskörper abwickeln kann. Kurz, es war herrlich.

Da kamen die bösen engländer und trübten den herren vom reißbrett die freude. Sie sagten: Nicht zeichnen, sondern machen. Geht ins leben, damit ihr wißt, was verlangt wird. Und wenn ihr das leben erfaßt habt, dann stellt euch vor den schmelzofen oder vor die drehscheibe. Da ließen neunundneunzig perzent der künstler das töpfemachen sein.

Empfohlene Zitierweise:
Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/57&oldid=- (Version vom 1.8.2018)