zu teil wurde, hat das ornament glücklich überwunden. Ich muß mich hier wiederholen.*)[1] Je tiefer die kultur, desto stärker tritt das ornament auf. Das ornament ist etwas, was überwunden werden muß. Der papua und der verbrecher ornamentieren ihre haut. Der indianer bedeckt sein ruder und sein boot über und über mit ornamenten. Aber das bicycle und die dampfmaschine sind ornamentfrei. Die fortschreitende kultur scheidet objekt für objekt vom ornamentiertwerden aus.
Männer, die ihr verhältnis zu vorhergehenden epochen betonen wollen, kleiden sich heute noch in gold, samt und seide: die magnaten und der klerus. Männer, denen man eine moderne errungenschaft, die selbstbestimmung, vorenthalten will, kleidet man in gold, samt und seide: lakaien und minister. Und der monarch hüllt sich bei besonderen gelegenheiten in hermelin und purpur, ob es nun seinem geschmacke entspricht oder nicht: als erster diener des staates. Auch beim soldaten wird durch farbige und goldstrotzende uniformen das gefühl der hörigkeit erhöht.
Das lange, bis zu den knöcheln reichende gewand ist das gemeinsame abzeichen derer, die nicht körperlich arbeiten. Als körperliche und erwerbende tätigkeit noch unvereinbar war mit freier, adeliger abkunft, trug der herr das lange kleid, der knecht die hose. So ist es heute noch in China: mandarin und kuli. So betont bei uns der klerus seine nicht auf den erwerb gerichtete tätigkeit durch die soutane. Wohl hat der mann der obersten gesellschaftsschichten sich das recht auf freie arbeit erworben, bei festlichen anlässen trägt er aber noch immer
- ↑ *) Siehe s. 65 dieses buches.
Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/161&oldid=- (Version vom 1.8.2018)