wurden, ihre kunst dem pöbel zuliebe zu prostituieren. Nur wenigen war es vergönnt, durchwegs bauherren zu finden, die groß genug dachten, den künstler gewähren zu lassen. Am glücklichsten war wohl Schmidt. Ihm zunächst kam Hansen, der, wenns ihm schlecht ging, im terracottabau trost suchte. Fürchterliche qualen muß wohl der arme Ferstel ausgestanden haben, den man in letzter minute zwang, seiner universität ganze fassadenteile in zementguß anzunageln. Die übrigen architekten dieser epoche wußten sich, mit wenigen ausnahmen, von gefühlsduseleien wie diesen qualen frei.
Ist es anders geworden? Man erlasse mir die beantwortung dieser frage. Noch herrschen imitation und surrogatkunst in der architektur. Ja, noch mehr. In den letzten jahren haben sich sogar leute gefunden, die sich zu verteidigern dieser richtung hergaben – einer allerdings anonym, da ihm die sache nicht reinlich genug erschien –, so daß der surrogatarchitekt nun nicht mehr nötig hat, klein beiseite zu stehen. Jetzt nagelt man schon die konstruktion mit aplomb auf die fassade und hängt die „tragsteine“ mit künstlerischer berechtigung unter das hauptgesims. Nur herbei, ihr herolde der imitation, ihr verfertiger von aufpatronierten intarsien, von verpfusche-dein-heim-fenstern und papiermachéhumpen! In Wien erblüht euch ein neuer frühling, der boden ist frisch gedüngt!
Aber ist der wohnraum, der ganz mit teppichen ausgelegt ist, keine imitation? Die wände sind ja nicht aus teppichen erbaut! Gewiß nicht. Aber diese teppiche wollen nur teppiche sein und keine mauersteine, sie wollen nie für solche gehalten werden, imitieren sie weder durch farbe noch muster, sondern bringen ihre
Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/106&oldid=- (Version vom 1.8.2018)