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Herrliches, etwas Heißes, Glühendes, Rotes, die Fruchttraube des Aronstabes.

Das ist eins der seltsamsten Kräuter des Waldes. Wenn sein strotzendes, protzendes Blattwerk im Vorfrühling aus der festen Erde schießt, dann ducken sich die Windröschen und Leberblümchen schleunigst und selbst der stolze Lärchensporn macht ihm seinen Diener. Ist aber erst die Blüte da, diese einzigartige Blüte, lächerlich aufgeblasen und doch voller Würde und Bestimmtheit im Auftreten, dann macht sogar die goldene Waldnessel sich ganz klein.

Ich muß lachen, wenn ich an die Blüte des Aronstabes denke, und an ihre Listigkeit. Oben ist sie weit und breit, und dann verengt sie sich zu einem Trichter, in dessen Halse, wie die Stacheln in einer Mausefalle, steife Borsten stehen, nach innen und unten geneigt. Tief im Grunde der Blüte ist eine gemütliche Kneipecke, und darin wird ein Stoff verschänkt, nach dem sich alles Mögliche kleine Krabbelzeug die Rüsselchen leckt.

Sobald nun der Aronstab sein dunkelpurpurnes Pistill heraussteckt und den Ausschank eröffnet, kommen die Gäste von allen Seiten heran, drängen sich in den Schankkeller und Kneipen, bis sie das Bedürfnis nach frischer Luft haben, und so stolpern sie die Kellertreppe hinauf. Dann aber gibt es einen Mordskrach, denn die Borsten versperren den Ausgang. Nun wird getobt und geflucht und hin- und hergetaumelt, und das will der Wirt gerade, denn durch das unziemliche Benehmen der sternhagelvollen Gäste wird die Befruchtung der Blüte herbeigeführt und sobald das geschehen ist, fallen die Borsten herab, der Weg ist frei und die Gäste können ihre dicken Köpfe auslüften.

Eine Wolke stellt sich vor die Sonne; im Walde sieht es kalt und trübe aus. Böse blicken mich des Aronstabes Früchte an. Sie sind giftig. Und der Aronstab ist ein Schwindler. Erst tut er so, als gäbe es Freibier bei ihm, und dann läßt er

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Hermann Löns: Der zweckmäßige Meyer. Sponholtz, Hannover 1911, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loens_Der_zweckmaessige_Meyer.pdf/65&oldid=- (Version vom 1.8.2018)