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Entsetzen war, denn Mama Müllers Waden erinnerten etwas zu sehr an die einer Jahrmarktsriesendame.

Zum Glück fing es an zu regnen, und so flüchtete alles in das Haus. Es dämmerte schon als der Regen aufhörte und man sich auf den Rückmarsch machte. Der war nicht ohne Gefahren. Überall krochen die furchtbaren Tiere, die man für Kreuzottern hielt. Die beiden Heiratskandidaten erklärten zwar, es seien Schnecken; aber da Schnecken, wenigstens anständige Schnecken, nach der Meinung der Familie Müller Häuser haben, so wurde man die Angst nicht los, und bei jedem Frosch, der über den Weg hüpfte, gab es ein beträchtliches Gequieke und Gejammer. Ganz elend aber wurde Frau Müller, als ein Salamander über den Fußpfad watschelte. „Schwarz und gelb!“ stöhnte sie; „wenn das nicht giftig ist, dann weiß ich es nicht!“

Auch die Fledermäuse erfüllten ihr Herz mit Grausen, und sie ruhte nicht eher, bis sich ihre Töchter die Röcke über den Kopf schlugen, was diese in Anbetracht der sonntagsgemäßen Tadellosigkeit ihrer Unterkleider mehr als gern taten. „Die Tiere fliegen einem ins Haar und man kriegt sie so leicht nicht wieder heraus,“ erklärte die Mutter und die beiden jungen Herren pflichteten ihr bei, obschon sie mit Rücksicht auf die vier niedlichen Waden geneigt waren, die Fledermäuse für äußerst nützliche und nette Tiere zu halten. Aber als dann der Waldkauz zu rufen begann, Frau Müller den Arm ihres Mannes und Hete und Grete die ihrer Anbeter umklammerten, fanden sie, daß auch Eulen zu den entschieden schätzenswerten Tieren gehörten.

Frau Müller lebte nur noch halb, als sie auf der Haltestelle anlangte, und wenn der Tag auch die angenehme Folge hatte, daß Hete und Grete Bräute und Frauen wurden, ihrer Mutter blieb er doch immer in der Erinnerung als ein Schreckenstag sondergleichen, und von der Natur hatte sie für immer genug.

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Hermann Löns: Der zweckmäßige Meyer. Sponholtz, Hannover 1911, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loens_Der_zweckmaessige_Meyer.pdf/63&oldid=- (Version vom 1.8.2018)