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zuckte die Achseln; Meyer sah sie strafend an und frug weiter: „Davon gehen alle bis auf ein oder zwei Stück zu Grunde. Das ist doch eine kolossale Materialverschwendung. Warum lassen Sie den Hering nicht von vornherein so viele Eier legen, wie zur Entwicklung kommen sollen?“ Meine Freundin sah ihn freundlich an, doch bekamen ihre Augen einen Stich ins Grüne, als sie erwiderte: „Das kann ich Ihnen ganz genau sagen; das weiß ich nämlich selber nicht.“ Meyer setzte seine Amtsmiene auf: „Das wissen Sie nicht?“ Sie schüttelte den Kopf und lachte, daß man ihre prachtvollen Zähne sah: „Faktisch nicht! Ich weiß es ebensowenig, als warum ich heute grade dieses Kleid und eben diese Strümpfe,“ sie schnippte mit dem Fuße, daß man ihre halben Waden sah, „angezogen habe. Sehen Sie, Herr Meyer, ich bin nämlich ein Frauenzimmer, und Logik und Systematik und all dieser Kram, auf den sich die Männer so gräßlich viel einbilden, und womit sie sich das bißchen Leben so schrecklich unschmackhaft und langweilig machen, daraus mache ich mir auch nicht so viel! Nehmen Sie sich doch eine andere Zigarre, Ihre kohlt ja. Ich empfehle Ihnen die große da, die mit der blauen Schwimmhose!“

Meyer wurde milder, als der Rauch der Extrafeinen seine Nasenlöcher umkräuselte, lächelte und meinte dann: „Sie verstehen doch, meine Gnädige, bei der Verehrung, die ich von Kindesbeinen vor Ihnen hatte, daß Ihr System, oder wie soll ich sagen, Ihre Methode mich ungemein interessiert, und deshalb gestatten Sie mir noch einige Fragen. Sie, die Allmutter, die Gütige, die alle Wesen liebreich behütet, warum richten Sie nicht manches humaner ein? Zum Beispiel: warum dulden Sie es, daß der Habicht seine Beute bei lebendigem Leibe zerfleischt, daß die Larven gewisser Fliegen die Rehe und die Kröten, in deren Rachenräumen sie wohnen, zu Tode quälen, daß der Iltis Frösche, die er durch einen Biß in die Wirbelsäule lähmt, in seinen Bau schleppt, wo sich die

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Hermann Löns: Der zweckmäßige Meyer. Sponholtz, Hannover 1911, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loens_Der_zweckmaessige_Meyer.pdf/141&oldid=- (Version vom 1.8.2018)