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und Tochter verhört worden sind. Sind die belasteten Juden und Judentöchter auch so angefaßt worden?"


Unter weiter sagt die ,,Germania":

,,Die vorgekommenen Ausschreitungen sind in erster Linie vielleicht auf das Konto der Juden, die Schlochauer Juden nannten Winter Begräbnis ,Tierschau', in zweiter Linie auf das Konto der Polizei zu setzen. Nun bemüht man sich, in Konitz eine antisemitische Agiation zu entdecken. Wenn dieselbe, die ja nicht unerlaubt ist, vorhanden ist, so sind Juden und Polizei ihre Förderer, die nicht imstande sind, die Früchte ihrer Thätigkeit zu erkennen und sie darum anderen in die Schuhe schieben wollen. Wir haben hier offen und klar die Situation zu zeichnen gesucht; das Resultat der ganzen Sache ist bisher leider objektiv eine Untergrabung des Rechtsbewußtseins und der Rechtssicherheit, sowie des Glaubens an die Unparteilichkeit der Justiz im Volke! Man gebe sich nicht der Hoffnung hin, daß die Sache sich totbluten könne, daß sich die Konitzer mit einer Erledigung a la Skurz zufrieden geben werden. Der Mord muß gesühnt werden. Und wenn die Staatsregierung darauf Wert legt, daß die Bevölkerung wieder vertrauen gewinnt, dann ist es notwendig, daß den bisher mit der Untersuchung betrauten Personen, alle insgesamt, dieselbe aus den Händen genommen wird, vor allem den Berliner Kommissaren."

Aus der Fülle des uns vorliegenden Materials sei noch ein Artikel der in München erscheinenden Zeitung ,,Deutsches Volksblatt" vom 17. Juni 1900 zitiert mit der Ueberschrift: ,,Der große Tote von Konitz." In dem Artikel wird die gesamte Situation in Konitz und das Begräbnis des Ermordeten geschildert, dann heißt es am Schlusse:

,,In Konitz ist ein Bataillon Soldaten eingetroffen, ,,das mit Kolben und Bajonetten das ,verdammte Nest' ,,wohl zur Ruhe bringen wird. Es herrscht Ruhe! Die ,,Ruhe des Kirchhofes! – Wer ist nun der große ,,Tote in Konitz? Ist es Winter? Nein, er nicht. ,,Der andere, ein ungleich Größerer, den sie dort begraben ,,haben: Es ist der Glaube an Recht und Gesetz im ,,Volke."

Der geneigte Leser sieht aus diesen Preßstimmen, wie sich im Süden unseres deutschen Vaterlandes gleichwie im Norden die Ueberzeugung Bahn gebrochen hat, daß in Konitz sich etwas zugetragen hat, was mit den bisherigen Begriffen von Recht und Gerechtigkeit nicht in Einklang zu bringen ist.Aus Anlaß der Tumult-Szenen am 29. Mai, dem Tage der Hoffmannschen Sistierung, die wir auf Seite 30 schon schilderten, riefen die Behörden eine Infanterie-Kompagnie herbei, die am 3. Juni wieder abrückte, weil inzwischen alles ruhig blieb. Am Sonntag, den 10. Juni, brach die Volksleidenschaft aber wieder stärker hervor.

Empfohlene Zitierweise:
Max Liebermann von Sonnenberg: Der Blutmord in Konitz. Berlin: Deutschnationale Buchhandlung und Verlags-Anstalt, 1901, Seite 70. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Liebermann-_Blutmord_Konitz-_p070.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)