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die eigenen Kinder ist eins der von der Natur dem Menschen am tiefsten eingepflanzten Gefühle, und gerade diese empflindlichste Saite des Menschenherzens wird durch die Ermordung des Ernst Winter zum schrillen Tönen gebracht.

Höchst bemerkenswert ist, was das Hauptorgan der deutschen Zentrumspartei mit seinem Verständnis hierfür äußert – Nr. 127 der „Germania“ vom 6. Juni 1900–:[1]


„Bald ist ein Vierteljahr verflossen, seitdem der Rumpf des ermordeten Winter in dem Mönch-See gefunden worden ist, und noch immer ist der Mörder nicht entdeckt, und es hat den begründeten Anschein, als ob er auch nicht entdeckt werden wird. Die gegenwärtigen, höchst sonderbaren Umstände veranlassen uns, die Mordgeschichte einer näheren Betrachtung zu unterziehen. Die Angst und Sorge für das Leben unserer Kinder drückt uns die Feder in die Hand.Wir wissen wohl, daß der Staat einen Mord nicht verhindern kann, wir wissen aber auch, daß er die Pflicht hat, den Mörder zu suchen und zu strafen und dadurch vorbeugend das Leben seiner Unterthanen, auch der Christenkinder, zu schützen. Können wir nach den vorliegenden Ergebnissen in Skurz und Xanten und nach dem heute mutmaßlich zu erwartenden Ergebnis noch das Vertrauen haben, daß Morde an Christenkindern bestraft und gesühnt werden? Von Anfang an hat die Untersuchung einen höchst merkwürdigen Verlauf genommen; nach allem, was bisher darüber bekannt und auch in der Presse unter ausdrücklicher Anführung von bis heute unwidersprochen gebliebenen Thatsachen berichtet worden ist, läßt das Untersuchungsverfahreneine merkwürdige Abneigung gegen energische Schritte erkennen, sobald diese sich gegen Juden richten."


Weiter heißt es in dem Artikel:

„Auffallend ist die Behandlung aller Personen, die sich zu Aussagen meldeten, die Juden zu belasten, auffallend die Denunziation oder versuchte Schädigung aller, die uneigennützig auf amtliche Aufforderung zur Aufklärung beizutragen suchten; auffallend die liebenswürdige Behandlung der schwerbelasteten Juden; auffallend das Entgegenkommen gegen fremde Sendlinge, die im Interesse der beklagten Juden der Sache eine andere Wendung zu geben suchen. Nun hat die Sache die Wendung bekommen, daß dem allgemein geachteten christlichen Fleischer Hoffmann unter Annahme unsinniger Motive der Mord zur Last gelegt wird. Auffallend ist das nun so energische Vorgehen gegen Hoffmann, auffallend die Gründlichkeit der bei ihm vorgenommenen Haussuchung, auffallend die Energie und Ausdauer, mit der Hoffmann
  1. Wir lassen die f. Z. inkriminierten Stellen hier beim Abdrucke fort.
Empfohlene Zitierweise:
Max Liebermann von Sonnenberg: Der Blutmord in Konitz. Berlin: Deutschnationale Buchhandlung und Verlags-Anstalt, 1901, Seite 69. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Liebermann-_Blutmord_Konitz-_p069.png&oldid=- (Version vom 28.5.2019)