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der ganzen Ermittelungen in den Händen der Polizei-Organe namentlich der Kommissare aus Berlin. Wir wünschen, daß sich noch eine Feder finden möge, die im einzelnen die Amtshandlungen der Herren Deditius, Wehn und Braun an der Hand der täglichen Geschehnisse während der Untersuchungszeit der Oeffentlichkeit zugänglich macht. Aufgabe dieser Schrift konnte es nur sein, in großen Umrissen die allgemeinen Gesichtspunkte hervorzuheben, die dazu geführt haben, in der Bevölkerung die Meinung hervorzubringen:

Es soll nichts herauskommen!

Im Laufe der Zeit haben auch eine Anzahl hoher Beamten Konitz besucht, und es sind lange Konferenzen im Beisein dieser Herren abgehalten worden. Die Herren Ministerial-Direktor Lucas, Geheimer Ober-Justizrat Przewlocka, Geheimrat Maubach, diese drei aus Berlin, ferner der Senats-Präsident Hasenstein und der Ober-Staatsanwalt Wulf aus Marienwerder (Westpreußen) sind zum Teil mehrmals in Konitz gewesen. Was von den Ansichten dieser Herren unter der Hand verlautete, deutet aber darauf hin, daß die Anschauungen und Urteile der Polizei-Organe Deditius, Wehn und Braun auch von ihnen geteilt wurden. Man hielt den in der jüdischen Presse höchst geschickt vertretenen Standpunkt fest, daß nur ganz ungebildete Leute an die Mähr vom ,,Ritual-Morde" glaubten, daß in Wirklichkeit derartige Morde nicht vorkämen, und daß deshalb bei der Ermordung des Winter eine jüdische Thäterschaft nicht vorausgesetzt werden könne. Dem unbefangenen Deutschen mag diese Schlußfolgerung zwar nicht ganz richtig vorkommen; wir haben aber auch hier nur einfache Thatsachen zu berichten.

Eins steht unbedingt fest, daß die vielen Besuche der Ober-Beamten in Konitz in keiner Weise die Wirkung hervorgebracht haben, daß auch gegen verdächtige Juden entsprechende Schritte bemerkbar wurden.

Im Gegenteil! Der gute Wille einiger Konitzer Beamten auch einmal das Judentum anzufassen, war nach solchen Besuchen fast stets merklich abgekühlt.

Die Tumulte und ihre Ursachen.

Eng im Zusammenhange mit der Haltung der Behörde stehen die Tumulte in Konitz und den Nachbarstädten, deren Einzelheiten durch die Zeitungen bekannt geworden sind. Die Tumulte sind nur nur dadurch entstanden, daß das Volk aus der Art und Weise, wie in der Winterschen Mordsache gearbeitet worden ist, in seinem guten Glauben an die Gerechtigkeit und Unparteilichkeit der staatlichen Organe sich erschüttert fühlte. Dieser Glaube ist nicht etwa durch Agitation in die Bevölkerung hineingetragen worden, sondern die Möglichkeit eines solchen Mordes an sich und die Erscheinung, daß sich die so auffallend gleichartigen Morde im Rechtsstaate Preußen wiederholen, unentdeckt und ungesühnt bleiben konnten, waren schon ganz allein geeignet, die Gemüter in breiten Volksschichten von Grund aus in Wallung zu versetzen. Die Sorge um

Empfohlene Zitierweise:
Max Liebermann von Sonnenberg: Der Blutmord in Konitz. Berlin: Deutschnationale Buchhandlung und Verlags-Anstalt, 1901, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Liebermann-_Blutmord_Konitz-_p068.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)