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so wäre hier die Heranziehung einer Kompagnie Infanterie sehr zweckmäßig gewesen.

Die Einleitung zur Entdeckung von Verbrechen liegt den örtlichen Polizei-Behörden ob, die selbstständig vorzugehen befugt sind und außerdem nach den Anweisungen der Kgl. Staatsanwaltschaft zu handeln haben. Inhaber der Polizei-Gewalt in Konitz ist der Bürgermeister Deditius, früher Bürgermeister in der schlesischen Stadt Strehlen. Er hat, wie Erkundigungen ergaben, dort als ein eifriger Judenfreund gegolten. Seine Frau entstammt einer jüdischen Familie. Herr Deditius ist ein gewandter, in seinem Dienste sehr erfahrener Beamter; in seinen Händen lag zum großen Teil das Schicksal der Untersuchung! In ganz Konitz ist man nun der Ansicht, daß der Herr Bürgermeister wirklich zweckentsprechende Maßregeln nicht getroffen, sondern die praktischen Vorschläge, die ihm aus den Reihen der christlichen Bewohner unterbreitet wurden, sogar zurückgewiesen hat. Die in der Stadt abgehaltenen Haussuchungen, abgesehen von der bei dem Fleischermeister Hoffmann, wurden sehr oberflächlich ausgeführt, sodaß sie meist wiederholt werden mußten. Bei der Haussuchung im Lewyschen Hause gestattete man der Frau Lewy sogar, ruhig im Bett liegen zu bleiben. Das Bett wurde nicht durchsucht, obschon es durchaus möglich war, daß gerade in diesem Bett der angeblich erkrankten Frau Lewy sich Körperteile des Ermordeten befinden konnten. Man wird dabei unwillkürlich daran erinnert, wie Rahel einst die gestohlenen Hausgötzen ihres Vaters verbarg.[1]

Bei den nochmaligen Haussuchungen wurde aus naheliegenden Gründen natürlicherweise nie mehr etwas gefunden. – Die Beamten, mit denen Herr Deditius die sogenannten Haussuchungen vornahm, waren unerfahrene Polizeidiener von erst kurzer Dienstzeit. Der alte, äußerst erfahrene Polizeibeamte P., der in Diebstahls-Sachen oft große Gewandtheit und Findigkeit bei Haussuchungen bewiesen hatte, wurde nicht zugezogen.

Viel Aufhebens machte die Judenpresse davon, daß sogar der Judentempel auf das peinliche untersucht worden sei, wobei aber immer vergessen wurde hinzuzufügen, daß das erste Mal eine sehr oberflächliche Besichtigung stattgefunden hatte. Wenn sich wirklich etwas Verdächtiges in der Synagoge befunden hätte, so hätte diese erste Besichtigung den Juden als Warnungssignal dienen müssen, und sie hätten sicher alles bei Seite geschafft. Wir halten es aber durchaus nicht für wahrscheinlich, daß derartiges in der Synagoge vorhanden gewesen ist.

Wir erwähnten schon, daß gleich nach dem Auffinden des Rumpfes sich die Konitzer freiwillige uniformierte Feuerwehr und der Kriegerverein dem Herrn Bürgermeister Deditius zur Verfügung gestellt hatten, um die Stadt abzusperren und Haus für Haus nach den Winterschen Körperteilen abzusuchen. Der Herr Polizei-Chef lehnte aber diesen praktischen Vorschlag ab.

Einige Herren boten ihre guten Jagdhunde zur Hüfle bei den Durchsuchungen an. Der Herr Polizei-Chef lehnte ab und bemerkte, die Herren könnten ja selbst mit ihren Hunden in die

  1. 1. Buch Moses, Kap. 31, Vers 30-36.
Empfohlene Zitierweise:
Max Liebermann von Sonnenberg: Der Blutmord in Konitz. Berlin: Deutschnationale Buchhandlung und Verlags-Anstalt, 1901, Seite 64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Liebermann-_Blutmord_Konitz-_p064.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)