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Als die jüdische Presse infolge dieser Bestrafung des Masloff den Versuch unternahm, die Tragweite des Geschworenen-Spruches zu Gunsten der Juden zu deuten, haben die Verteidiger durch eine Einsendung an das ,,Konitzer Tageblatt" die von den Geschworenen für wahr erachteten Bekundungen der Masloffschen Eheleute und der Berg zur allgemeinen Kenntnis gebracht.*)[1]

Nach diesem Ausgange der Schwurgerichtsverhandlung gegen Masloff kann es keinem Zweifel unterliegen, daß die Behörden, wenn sie sofort die Aussagen des Masloff, der Frau Masloff und der Frau Berg richtig gewürdigt und zur Ueberführung der wirklichen Mörder und ihrer Helfer zweckentsprechend angewendet hätten, schon lange einen Teil der Mörder und Mordgenossen fassen und zur Bestrafung bringen konnten.

Aber der bisherige Gang der Sache zeigt, daß der Kampf gegen die Mörder des Gymnasiasten Winter so einfach sich nicht abspielt. Die wichtigsten Zeugen müssen erst ein gegen sie anhängig gemachtes Meineids-Verfahren überstehen.

Ein wahrer Schrecken herrschte unter den nichtjüdischen Zeugen in Konitz; die größte Furcht hatten sie vor dem Untersuchungsrichter Zimmermann, der in meist stundenlangen Sitzungen die Zeugen vernahm und, wie oben erzählt, die beiden Zeugen Speisiger und Masloff, nachdem er sie vernommen, verhaftete. Die freisprechenden Urteile, sowohl der mit lediglich gelehrten Richtern besetzten Strafkammer als auch des Schwurgerichts, haben gezeigt, daß das System des Untersuchungsrichters Zimmermann der Suche nach den Mördern nicht förderlich gewesen ist.

Bei der Beleuchtung des Prozesses Masloff kann aber das Auftreten der Staatsanwaltschaft nicht übergangen werden. Neben dem zuständigen Ersten Staatsanwalt Settegast trat während der ganzen Schwurgerichtsverhandlung der Ober-Staatsanwalt Lautsch des westpreußischen Oberlandesgerichtsbezirks Marienwerder als Vertreter der Anklage-Behörde auf. Er bemängelte vielfach die Glaubwürdigkeit der nichtjüdischen Zeugen, während er durchweg die jüdischen Zeugen für glaubhafte Leute hielt, und am Schlusse seiner gewandten, das ,,Schuldig gegen alle Angeklagte beantragenden Rede erklärte er, die ganze Familie Lewy habe richtig geschworen.

Hatte der Herr Ober-Staatsanwalt dabei etwa vergessen, daß ein Mitglied dieser Familie, nämlich der Moritz Lewy, noch nicht ganz drei Wochen vor diesem seinem Auspruche in öffentlicher Gerichtssitzung wegen wissentlichen Meineides durch Gerichtsbeschluß und auf Antrag des Ersten Staatsanwalts Settegast verhaftet worden war?!

Das Auftreten des Herrn Ober-Staatsanwalts hat die christliche Bevölkerung tief erregt. Eine eingehende Würdigung dieser Thatsache wird an passenderer Stelle wohl auch erfolgen, hier müssen wir sie uns versagen.

  1. Siehe Flugblatt Nr. 92 der Deutschnationalen Buchhandlung und Verlags-Anstalt, Berlin NW 52.
Empfohlene Zitierweise:
Max Liebermann von Sonnenberg: Der Blutmord in Konitz. Berlin: Deutschnationale Buchhandlung und Verlags-Anstalt, 1901, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Liebermann-_Blutmord_Konitz-_p059.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)