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übereinstimmenden Zweck gehabt haben, welcher sie zusammenführte und bewog, eine so schreckliche Mordthat zu begehen. Dazu kommt, daß in der Mehrzahl der Mörder sich weiterhin eine oder mehrere Personen befunden haben müssen, die mit dem Bau und der fachgemäßen Zerlegung eines menschlichen Körpers vertraut waren. Die Zerstückelung des Winterschen Körpers ist derartig geschickt und kundig gemacht worden, daß die Mörder vorher sich mit den nötigen Instrumenten, wie Messer, Säge, Tisch, Verpackungs-Material, versehen haben, und daß diese Zerteilungsinstrumente wieder von einem Manne geführt und angewendet sein müssen, welcher eine große Sachkenntnis und Erfahrung in der kunstgerechten Zerlegung eines menschlichen Körpers besitzt.

Alles dieses wird klar bewiesen durch die Beschaffenheit der aufgefundenen Körperteile des Ermordeten.

Diese Beschaffenheit führt den ruhig und unbefangen denkenden Beschauer aber auch auf das Motiv der Mordthat, und es hat den Anschein, daß die Behörden bisher viel zu wenig aus den objektiven Feststellungen der Aerzte, aus deren Obduktions-Protokollen und Gutachten herauszulesen verstanden haben. Neben der kunstgerechten Zerlegung des Winterschen Körpers ist der auffallendste Umstand die absolute Blutleere des ganzen Körpers. Dieser Umstand und seine Ursachen sind bisher viel zu wenig in den Vordergrund geschoben und gewürdigt worden. Es gehören allerdings zu seiner vollen Würdigung einige medizinische Kenntnisse, und deshalb soll hier der Versuch gemacht werden, auch dem Laien die Ursache und das Auffällige der absoluten Blutleere anschaulich zu machen.

Das Blut und der Blutumlauf des menschlichen und überhaupt des tierischen Körpers wird gleichsam von dem Herzen aus dirigiert und in seinen Bewegungen beeinflußt und abhängig gemacht. Das Herz arbeitet mit dem Blute wie ein Pumpwerk. So lange das Pumpwerk des Herzens arbeitet, fließt das Blut in ununterbrochenem Laufe. Hört das Herz aber auf zu arbeiten, so stockt der Blutumlauf, und das Blut bleibt in den Blutgefäßen des Körpers stehen, es verbleibt in dem Körper und gerinnt schließlich. Die Sektionen ermordeter Menschen zeigen, daß das Blut in den Blutgefäßen, bis auf das unmittelbar durch die totbringende Wunde abgelaufene, in den Körpern vorhanden ist.

Die absolute Blutleere der Körperteile Winters muß daher auffallen, und sie beweist ganz klar, daß die Mörder bestrebt gewesen sein müssen, das Blut bei der Mordthat aus dem Körper gleichsam herauszuziehen und zu diesem Zwecke eine derartige Tötungsart in Anwendung zu bringen, die das vollständige Auslaufen des Blutes an sich ermöglicht. Der Körper des ermordeten Winter hat keinerlei sonstige Verletzungen aufgewiesen. Der aufgefundene Kopf und der Rumpf beweisen nun weiter, daß dem Winter der Hals unten an den Weichteilen und gleichzeitig die großen nach dem Gehirn führenden Halsgefäße durchschnitten worden sind. Der ermordete Winter hat also seinen Tod gefunden durch äußere Verblutung der durchschnittenen Halsgefäße. Diese Thatsache steht fest und kann in keiner Weise umgestoßen werden.

Empfohlene Zitierweise:
Max Liebermann von Sonnenberg: Der Blutmord in Konitz. Berlin: Deutschnationale Buchhandlung und Verlags-Anstalt, 1901, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Liebermann-_Blutmord_Konitz-_p050.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)