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Tier, daher der Fehlschnitt, denn beim Tier schneidet man von oben in das Gelenk.

Die Bauch-Eingeweide wurden herausgenommen.

Den Rumpf haben die Mörder sodann in einen Sack von Packleinwand gesteckt, den sie zunähten und nunmehr in Packpapiere einwickelten. Das Ganze wurde dann durch Umschnürung mit Stricken fachgemäß zu einem versandfähigen Packete hergestellt.

Die Mörder scheinen danach die Absicht gehabt zu haben, die einzelnen Körperteile zu verschicken; sie müssen aber darin gestört worden sein, denn das weitere Einpacken ist unterblieben. Drei Mann haben den eingepackten Rumpf mit den losen Gesäß-Backen und einem Oberschenkel von der Lewyschen Hinterpforte durch die Rähm-Gasse nach der unmittelbar an der Synagoge liegenden Mönchsee-Spüle getragen und die genannten Körperteile unter die Eisdecke versenkt.

Gleichzeitig ist auch in der Synagoge etwas vor sich gegangen; denn es hat in ihr in der Nacht vom 11. zum 12. März zwischen 11 und 12 Uhr Licht gebrannt, und man hat dort Stimmengewirr gehört.

Die Mörder selbst haben im Laufe der Nacht und des folgenden Tages mit ihrer Beute — dem Blute — sich wieder nach allen Richtungen hin von Konitz entfernt.



Die Blutleere als Fingerzeig für die Motive.

Die objektive Beschaffenheit der aufgefundenen Körperteile des Gymnasiasten Ernst Winter bildet die wichtigste Grundlage für die Suche nach den Persönlichkeiten der Mörder, zumal die Blutleere gleichzeitig das Motiv (den Beweggrund) des Mordes anzeigt. Eine Nachforschung nach den Motiven ist einer der ersten Schritte zur Aufdeckung des Verbrechens. Die "Staatsbürger-Zeitung" sagt, indem sie diesen Gedanken verfolgt, in ihrer Nummer 463 vom 3. Oktober 1900 wörtlich:

,,Die bisherigen, sehr eingehenden Nachforschungen der Behörden gerade nach dieser Richtung hin haben unzweifelhaft festgestellt, daß weder ein Rachemord, noch eine Raubmord, noch ein Mord aus Affekt (plötzlicher Aufwallung) vorliegen kann. Nach den bisherigen Ermittelungen muß vielmehr als sicher angenommen werden, daß der Mord lange vorher geplant, sorgfältig vorbereitet und schließlich von einer Mehrzahl von Männern in geschickter Weise ausgeführt worden ist. Als feststehend ist ferner noch zu erachten, daß außerdem auch noch eine größere Zahl von Personen nach dem Morde selbst daran gearbeitet hat, die Spuren möglichst zu verwischen, wobei namentlich die Verbergung und Verschleppung der Körperteile zu beachten ist.

Ein Beweggrund, ein Motiv, muß doch diese Mehrzahl von Mördern und Helfershelfern geleitet haben. Ein einzelner Mann mag ohne besonderen Zweck einen Mord begehen können, obschon auch das selten vorkommen mag; aber wenn mehrere Männer sich zu einer solchen That verbinden, so muß doch ein Band vorhanden sein, welches diese Mehrzahl auf diesen einen Zweck zusammenhalten geeignet ist. Die Mehrzahl der Mörder muß also einen

Empfohlene Zitierweise:
Max Liebermann von Sonnenberg: Der Blutmord in Konitz. Berlin: Deutschnationale Buchhandlung und Verlags-Anstalt, 1901, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Liebermann-_Blutmord_Konitz-_p049.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)