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Frau Masloff zu Konitz sagte eidlich aus am 28. April 1900:

,,Ich habe auf Ersuchen des alten Lewy und der Frau Lewy, welche nacheinander zu mir kamen, vom 9. bis 13. April d. J. bei Lewy reingemacht.

Wenn ich nicht irre, am Mittwoch, den 11. April, vormittags fand ich beim Reinemachen der Stube, in welcher die beiden jungen Lewys schlafen, auf dem Ofen etwas, in graues Zeug eingewickeltes; ich machte dies auf und zog aus dem zusammengelegten Zeug eine weiße Uhrkette heraus von Silber oder Nickel. Ich hatte die Kette kaum in Händen, als die Frau Lewy mir sagte, ich möchte ihr die Kette nur geben, die gehöre dem Moriz, warouf ich ihr dieselbe sofort gab. Am Charfreitage, vormittags, machte ich in der Wohnstube der Lewyschen Eheleute rein, und zwar unter anderem auch das Wäschespind. Auf dem Wäschespind lagen allerhand Briefschaften und Schriftstücke, sowie eine lederne Zigarrentasche. Ich machte diese zufällig auf und fand darin in seidenes Papier eingewickelt, die Photographie des Ernst Winter. Ich habe Ernst Winter zwar bei Lebzeiten nicht gekannt, ich habe mir aber die Photographie desselben im Schaufenster von Heyn angesehen. Die Photographie, welche ich in der Zigarrentasche vorfand, war dieselbe, es ist bestimmt diejenige Winters gewesen, ich kann mich darin nicht irren. Ich hörte um drei Uhr nachmittags mit dem Reinemachen auf, denn nachdem ich die Photographie Winters gesehen hatte, war es mir so ängstlich, weil mir Winter immer vor Augen stand und ich an das Gerücht dachte, daß er bei Lewys getötet worden sei. Ich erzählte beim Nachhausekommen meinen Angehörigen das Vorfinden der Photographie, es waren darunter mein Mann, meine Schwester Berg und meine Mutter Anna Roß. Diese sagte mir, ich hätte die Photographie doch nehmen sollen, worauf ich sagte, ich würde sie nehmen, wenn ich noch einmal hingehen würde. Ich ging auch am Sonnabend, den 14. April, vormittags um 7 1/2 Uhr etwa hin und blieb bis 9 1/2 Uhr dort. Ich konnte die Photographie aber nicht mehr an mich nehmen, wie wohl ich daran dachte, weil die Lewysche Famile zu Hause war. Ich wollte auch nach Ostern noch hingehen, um nachzusehen, ob die Photographie in der Zigarrentasche noch liege; ich ging auch am Mittwoch, den 25. April, noch hin, da mir Frau Lewy sagen ließ, ich solle zu ihr kommen. Ich war aber kaum dort, als mein Mann mich fortholte mit dem Bemerken, er wolle nicht mehr, daß ich in dem Lewyschen Hause arbeite.

Ich habe auch vor kurzem, entweder in dieser Woche, oder in der vorigen Woche, entweder von meiner Mutter oder von meiner Schwester Auguste gehört, daß diese unter der Lewyschen Wäsche ein Taschentuch mit dem Monogramm E.W. gewaschen habe. Meiner Mutter und meiner Schwester ist erst nachträglich eingefallen, daß dies Mongramm möglicherweise Ernst Winter bedeuten könne."

Die Schwester des Ermordeten beschreibt die Uhrkette ihre Bruders in derselben Weise wie Frau Masloff.

Empfohlene Zitierweise:
Max Liebermann von Sonnenberg: Der Blutmord in Konitz. Berlin: Deutschnationale Buchhandlung und Verlags-Anstalt, 1901, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Liebermann-_Blutmord_Konitz-_p040.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)