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Hofes eine Thür geöffnet, aus der Thüröffnung trat ein Mann auf den Hof. Ich habe diesen Mann deutlich als denjenigen erkannt, den ich später als den alten Lewy kennen lernte. Ich konnte den Mann deutlich erkennen, weil aus dem Raum, aus dem derselbe heraugetreten war, Lichtschimmer auf den Hof drang. Lewy blieb mit vorgestrecktem Kopf, in lauschender Stellung auf dem Hofe stehen. Als Lewy ungefähr fünf Minuten so gestanden hatte, kamen zwei andere Männer durch die Thüröffnung, der eine trug ein Licht. Ich habe diese beiden nicht erkennen können, sie sprachen ungefähr eine Minute mit dem alten Lewy und gingen dann mit diesem zusammen dorthin, woher sie gekommen waren, zurück. Es wurde auf dem Hofe wieder dunkel, woraus ich schließe, daß sie die Thür hinter sich geschlossen haben. Während der alte Lewy und die beiden anderen auf dem Hofe standen, wurde weiter hinter ihnen noch von anderen Leuten gesprochen. Auch damals hörte ich noch immer das gurgelnde Geräusch, jedoch nicht mehr so laut, wie früher. Ich verweilte jetzt noch ungefähr anderthalb Stunden in liegender bezw. knieender Stellung. Das gurgelnde Geräusch hörte nach ungefähr einer Viertelstunde auf, das Gespräch dauerte fort. Während dieser anderthalb Stunden kam mir der Gedanke, daß ich mich vor demjenigen Hof befinden könnte, auf welchem ich acht Tage vorher Fleisch hatte hängen sehen. Die Thorflügel schienen mir schlecht versichert, ich konnte sie zurückdrücken, und nun entschloß ich mich, solange zu warten, bis es in dem Hause ruhig werden würde, um dann Fleisch zu stehlen. Es wurde plötzlich die Thür geöffnet, durch welche vorhin Lewy getreten war, der Hof wurde hell, ich verließ meinen Standort und versteckte mich an dem Zaun in der Nähe der Essigfabrik. Es wurde der Thorflügel geöffnet, und drei Leute traten heraus, zwei trugen ein Bündel, einer ging unmittelbar hinter ihnen her. Alle drei waren junge Leute. Der eine der Bündelträger kann der Statur nach der Kneifer- Lewy gewesen sein. Genau habe ich ihn nicht erkennen können, weil ich ihn nur von hinten gesehen habe. Die Leute trugen an dem Bündel schwer. Die Umhüllung des Bündels bestand aus Sackleinwand.

Die Leute gingen die Rähmstraße entlang und bogen dort nach dem Mönchsee ab, wo der Weg nach der Spüle geht und später die Leichenteile gefunden sind. Ich war nicht weiter neugierig, was die Leute dort vorhatten, sprang vielmehr aus meinem Versteck auf, ging durch den nunmehr geöffneten Thorweg und stahl dort ein Stück Fleisch. Auf dem Hofe war es dunkel, ich tappte unmittelbar hinter dem Thorwege nach links, stieß mir den Kopf an einem harten Gegenstand, faßte danach, merkte, daß es das Fleisch war, nahm dieses an mich und ging damit nach Hause. Während ich auf dem Hofe war, drang aus dem Keller des Hauses Stimmengewirr zu mir, auch vernahm ich ein Geräusch, als ob im Keller gescheuert wurde. Der Weg nach Hause führte mich durch die Mauerstraße nach der der Mönchsee- Spüle abgelegenen Richtung, weshalb ich von den Bündelträgern nichts mehr gesehen habe."

Empfohlene Zitierweise:
Max Liebermann von Sonnenberg: Der Blutmord in Konitz. Berlin: Deutschnationale Buchhandlung und Verlags-Anstalt, 1901, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Liebermann-_Blutmord_Konitz-_p039.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)