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wegen Meineides durch die Kgl. Staatsanwaltschaft in Berlin eingeleitet worden.

Der Floßmeister Steincke aus Prechlau hatte im Oktober 1899 mit dem Fleischermeister Eisenstädt daselbst ein sehr auffälliges Gespräch. Er kaufte bei Eisenstädt Fleisch und kam dabei auf die Familie Winter zu sprechen. Als Steincke meinte, der Gymnasiast Ernst Winter sei ein netter Bursche, sagte Eisenstädt: ,,Ja, der ist gut zum Schlachten!" Steincke antwortete darauf lachend: ,,Nun, dazu ist doch zu jung, er hat doch kein Fleisch!", worauf Eisenstädt erwiderte: "Das schadet nichts, er giebt doch aber Blut!"

An sich würde man die Aueßerungen des Eisenstädt nur als einen schlechten Scherz aufzufassen geneigt sein; ein ganz anderes Gesicht bekommt dieser Fall aber, wenn man erwägt, daß einige Monate darauf der junge Winter wirklich geschlachtet (geschächtet) und ihm das Blut abgezapft worden ist, sowie, daß der Eisenstädt am Schlachttage, den 11. März 1900, in der Stadt Konitz gewesen ist. Seine Rückkehr nach Prechlau erfolgte am folgenden Tage. Er brachte eine kleine Kiste sehr übelriechenden Inhalts mit, die sofort verschwand, als Fremde darauf aufmerksam wurden.

Auffallend ist es weiter, daß der Bruder dieses Eisenstädt, der Fleischermeister E. zu Schlochau, der im März 1900 wegen einer verletzten Hand in dem katholischen Krankenhause (Borromäns- Stift) zu Konitz Aufnahme gefunden hatte, am Abend des 11. März aus dem Stifte sich entfernte und die ganze Nacht vom 11. zum 12. März 1900 fortblieb. Auffallend ist ferner, daß dieser Eisenstädt einige Tage darauf von den Schwestern des Stifts eine Bescheinigung darüber erbat, daß er die Nacht vom 11. zum 12. März im Krankenhaus zugebracht habe, und daß er jetzt auch bestreitet, in jener Nacht ausgeblieben zu sein.

Im Prozeß Masloff bekundeten die beiden katholischen Ordensschwestern unter Eid, aus eigener Wissenschaft und auf Grund der Eintragungen in den Büchern des Stifts mit Bestimmtheit die Abwesenheit des Eisenstädt in der Mordnacht (vom Sonntag, den 11., zum Montag, den 12. März). Eisenstädt und zwei andere Juden beschworen dagegen, daß E. vom 12. zum 13. März sich außerhalb des Krankenhauses befunden habe.

Auch der Schächter Hamburger aus Schlochau bestritt anfänglich sehr lebhaft, am Mordtage und am Mordabend in Konitz sich aufgehalten zu haben. Erst als dies ihm nachgewiesen wurde, gab er es zu. Hamburger ist seit Juli 1899 in der Stadt Schlochau (1 3/4 Meilen von Konitz) als Schächter angestellt und nie nach Konitz gekommen. Am Sonntag, den 4. März 1900, fuhr er aber dorthin und erzählte am Montag darauf, in Konitz gebe es einige so dunkle Gassen, daß jemand totgeschlagen werden könne, ohne daß er es selbst merke. Im Laufe der Woche (zwischen dem 4. und 11. März) erzählte er, es werde in einigen Tagen etwas passieren, worüber die ganze Welt reden werde. Am Sonnabend wurde er durch eine Depesche nach Konitz gerufen und fuhr am Sonntag, dem Mordtage, mittags mit Zug 205 dorthin. Am Abend kehrte er mit dem Konitz um 8 Uhr 40 Minuten verlassenden Zuge 212 nach Schlochau zurück. Am folgenden Tage zeigte er sein Schächtmesser dem Schlochauer Schlachthaus- Inspektor mit dem

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Max Liebermann von Sonnenberg: Der Blutmord in Konitz. Berlin: Deutschnationale Buchhandlung und Verlags-Anstalt, 1901, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Liebermann-_Blutmord_Konitz-_p035.png&oldid=- (Version vom 29.7.2019)