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der Untersuchungsrichter die Voruntersuchung, und unter dem 19. Juli 1900 ward Herrn Hoffmann folgender Gerichts-Beschluß zugestellt:

Nach dem ärztlichen Gutachten des Kreisphysikus Dr. Müller und des praktischen Arztes Dr. Bleske vom 29. Juni 1900 ist die Ermordung des Gymnasiasten Winter zwischen 3 und 4 Uhr und bis spätestens 1/2 5 Uhr nachmittags erfolgt. Danach erscheint es aber völlig ausgeschlossen, daß der Angeschuldige der Thäter gewesen ist, weil der Angeschuldigte am Sonntag, den 11. März 1900, sich nachmittags zunächst in der Kirche und sodann mit seiner Tochter Anna, Pfarrer Reymann, Amtsvorsteher Fengler und Fräulein Fengler in dem Hause der Fleischermeister Ziebarthschen Eheleute bis nach 6 Uhr aufgehalten hat.

Ueberdies ist es nach dem Gutachten der Sachverständigen Dr. Müller und Bleske völlig ausgeschlossen, daß der Thäter die That ohne Ueberlegung ausgeführt hat, vielmehr sprechen die Beschaffenheit der Leiche, die Art der Zerstückelung und die Art der Beiseiteschaffung der Leichenteile dafür, daß die That von mehr als zwei Personen und nach einem wohlüberlegten Plane ausgeführt ist. Der angeschuldigte Hoffmann kann daher auch aus diesem Grunde als Thäter nicht in Frage kommen.

Selbst wenn man aber auch die Möglichkeit zugeben wollte, daß die That nach 1/2 5 Uhr, in den Abend- oder Nachtstunden vollführt sei, so würde der angeschuldigte Hoffmann gleichfalls der That nicht verdächtig erscheinen, weil nach den durchaus glaubwürdigen Aussagen der Hausgenossen des Hoffmann, der Fleischerlehrlinge Lougear, Mysikowski und Welke und des Dienstmädchens Kandetzki, weder an dem Abend des 11. März, noch an späteren Tagen irgend verdächtige Umstände oder Spuren der That bemerkt worden sind.

Die Voruntersuchung hat sonach die Nichtschuld des Angeschuldigten ergeben. Demgemäß war der Angeschuldigte außer Verfolgung zu setzen.

Die Kosten des Verfahrens waren gemäß § 499 der St. P. O. der Staatskasse aufzuerlegen.

Konitz, den 19. Juli 1900.

Königliches Landgericht, Serienstrafkammer.

gez.Schwedowitz. Ohme. Mürau.

Ausgefertigt.
Konitz, den 19. Juli 1900.
Arnoldy
Gerichtsschreiber des Königlichen Landgerichts.

Empfohlene Zitierweise:
Max Liebermann von Sonnenberg: Der Blutmord in Konitz. Berlin: Deutschnationale Buchhandlung und Verlags-Anstalt, 1901, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Liebermann-_Blutmord_Konitz-_p031.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)