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"Am Dienstag, den 29. Mai d. J., haben die beiden Polizei-Kommissare aus Berlin, Namens Braun und Wehn, nachdem sie zuvor mit dem Schutzmann Beyer eine sehr eingehende Haussuchung bei mir abgehalten hatten, mich und meine 14jährige Tochter nach dem Polizei-Bureau gebracht und uns beschuldigt, den Mord an dem Gymnasiasten Winter verübt zu haben. Die beiden Kommissare stellten dabei die Behauptung auf: ich hätte am 11. März abends gegen 7 Uhr meine Tochter vermißt, hätte sie gesucht und in dem neben meiner Eismiete am Mönch-See gelegenen Wagenschuppen betroffen, wie sie mit dem Gymnasiasten Winter Umgang pflog. Aus Wut darüber hätte ich den Winter gewürgt und erstochen. Diese ungeheuerliche Beschuldigung wurde mir vorgehalten. Meiner Tochter gegenüber haben diese Beamten dasselbe Märchen vorgetragen und meine Tochter sogar überreden wollen, daß schon alles entdeckt sei, sie solle es nur gestehen, dann werde mich, ihren Vater, eine mildere Strafe treffen."

Herr Hoffmann schildert den Vorgang noch sehr milde. In Wirklichkeit spielte er sich viel aufregender ab. Durch die Erbitterung darüber sind die ersten wirklichen Unruhen seit der Ermordung des Winter in der Stadt Konitz hervorgerufen worden. Es war an einem Dienstag des Morgens noch vor acht Uhr, als die Beamten in der Hoffmannschen Wohnung erschienen und Herrn Hoffmann und seine Tochter auf das inmitten des Marktes gelegene Polizei-Bureau transportierten. Fräulein Hoffmann wurde getrennt vom Vater von 8 bis 1 Uhr in der Polizei-Wachstube gefangen gehalten und zweimal zum Verhör in die oberen Räume gebracht. Ein Polizist musste immer bei ihr verweilen. Herrn Hoffmann führte man dagegen zurück in seine Wohnung, um bei einer neuen eingehenden Haussuchung anwesend zu sein. Hierauf mußte er den Beamten nach dem ungefähr zweihundert Schritte entfernt liegenden Schuppen bei der Synagoge folgen; auch hier wurde alles nochmals eingehend besehen und durchsucht und Fragen aller Art mit Bezug auf den Mord an den Beschuldigten gestellt. Darauf schaffte man ihn, umringt von Polizisten, mitten durch eine große Menschenmenge, die sich angesammelt hatte, nach der Polizei und setzte dort das Verhör fort.

Die Art und Weise, wie bei den Verhören gegen die vierzehnjährige Anna Hoffmann verfahren wurde, um das halbe Kind zu einer unwahren Bezichtigung des eigenen Vaters zu verleiten, kann gar nicht scharf genug verurteilt werden und findet hoffentlich noch einmal an geeigneter Stelle eine gerechte Würdigung.

Die Kunde von der Verhaftung Hoffmanns zeitigte (sic!) aber unerwartete Folgen. Es meldete sich bei einem Bekannten des Zeitungsverlegers Wilhelm Bruhn, der sich als Berichterstatter der ,,Staatsbürger-Zeitung" gerade in Konitz befand, der Arbeitsmann

Empfohlene Zitierweise:
Max Liebermann von Sonnenberg: Der Blutmord in Konitz. Berlin: Deutschnationale Buchhandlung und Verlags-Anstalt, 1901, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Liebermann-_Blutmord_Konitz-_p027.png&oldid=- (Version vom 23.6.2018)