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Zug geht von Bahnhof Konitz um 6 Uhr 53 Minuten abends ab. Ich führte den Pfarrer Reymann und den Amtsvorsteher Fengler in meine Wohnung, wo sie sich ankleideten und nach dem Bahnhofe gingen. Ich blieb zu Hause. Gleich danach kam meine Tochter Anna mit Frl. Fengler, welche auf den Stadt-Omnibus wartete, und als dieser hier ankam, in den Omnibus einstieg und abfuhr. Dies war etwa nach 6 1/2 Uhr. Meine Tochter machte noch einen Gang in die Stadt, war aber vor 7 Uhr schon wieder zu Hause, um das Abendbrot zu bereiten, was an diesem Tage etwas früher gemacht werden sollte, weil der Lehrling Welke, dessen verstorbener Vater Fleischermeister und Hausbesitzer in Tuchel war, in das Theater gehen wollte. Wir, d.h. ich, meine Tochter und die anderen Familienmitglieder, aßen gegen 1/2 8 Uhr zusammen Abendbrot. Die beiden anderen Lehrlinge hatten sich etwas verspätet und kamen erst nach 8 Uhr nach Hause, weshalb ich sie ausschimpfte und befahl, daß sie zur Strafe den weiteren Abend zu Hause bleiben mußten. Meine Tochter setzte ihnen nach 8 Uhr das Abendbrot hin. Seitdem sind wir alle, namentlich ich und meine jüngste Tochter Anna, ununterbrochen zu Hause geblieben und schlafen gegangen. Ich bemerke, daß ich selbst aus meiner Wohnung mich nicht gerührt habe, nachdem die Herren Reymann und Fengler mich verlassen hatten."


Soweit Herr Hoffmann. Da nun Zeugen diesen Tagesverlauf in der Familie Hoffmann am 11. März gleich nach der am 14. März stattgehabten Haussuchung bestätigt hatten, da ferner ermittelt worden war, daß der ermordete Winter sich spätestens um 6 1/2 Uhr nachmittags in den Händen seiner Mörder befunden haben muß, so wird der unbefangene Leser es geradezu unglaublich finden, daß Herr Polizei-Inspektor Braun und der Herr Staatsanwalt gegen einen unbescholtetenen angesehen Mann wie Herrn Hoffmann die Anklage wegen Totschlags an dem Tertinaner Winter erheben, die gerichtliche Voruntersuchung und sogar die sofortige Verhaftung beantragen konnten.

Die Sache wird aber erklärlich, wenn man die Grundanschauung beachtet, von denen aus die Untersuchungen über den Winterschen Mord geführt worden sind, und wonach jeder christliche Zeuge als unglaubwürdig galt, sobald er etwas zu Gunsten der Familie Hoffmann oder zu Ungusten der Juden aussagte. - Der Leser glaube ja nicht, daß diese Behauptung übertrieben ist. Sie gründet sich vielmehr auf die Thatsachen und ist aus den Akten und durch Zeugen durchaus erweisbar.

Die große Erbitterung gegen die Behörden, die in der Sadt Konitz und deren Umgegend herrscht und in den Tumulten zum Ausbruch gekommen ist, erklärt sich nicht zum kleinsten Teile daraus, daß fast alle Aussagen von Christen unglaubwürdig, die jüdischen Aussagen stets als einwandsfrei angesehen und beurteilt wurden.

Es waren nach der ersten Haussuchung bei Hoffmann eidlich vernommen worden: er selbst, drei Lehrlinge und das Dienstmädchen. Ihre beeideten Aussagen lagen bei den Akten und wiesen für

Empfohlene Zitierweise:
Max Liebermann von Sonnenberg: Der Blutmord in Konitz. Berlin: Deutschnationale Buchhandlung und Verlags-Anstalt, 1901, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Liebermann-_Blutmord_Konitz-_p025.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)