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Herr Polizei-Inspektor Braun und der Fleischermeister Hoffmann.

Mitte Mai 1900 erschien zur weiteren Unterstützung der Polizeikräfte der aus Berlin abgesandte Polizei-Inspektor Braun[WS 1] in der Stadt Konitz. In Gemeinschaft mit Herrn Wehn gab er sich Mühe, die Mörder zu entdecken. Aber auch er brachte die Ueberzeugung von Berlin mit, daß es Ritualmorde nicht gäbe und daher die Juden als Thäter ausscheiden müßten. Lediglich einem Christen sei die schreckliche Mordthat zuzutrauen.

Als Beweis dafür sei hier ein Satz eingefügt, der sich in der Braunschen Anklageschrift gegen den Schlächtermeister Hoffmann findet. Herr Braun geht die Motive durch, die zu einer solchen That Veranlassung geben könnten, und schreibt dabei wörtlich: „Von der, für das ganze Christentum beschämenden, während der Ermittlungen von Fanatikern oder Ignoranten erhobenen Blutbeschuldigung - Ritualmord - als Motiv sehe ich selbstverständlich (!!!) ab, da eine solche nur der Bosheit oder finsterstem Aberglauben entspringen kann.“

Von diesem Gedanken ausgehend, richtete, ebenso wie Herr Wehn, auch Herr Braun seine Amtshandlungen ein. Er studierte emsig die Akten, die schon zu vielen stattlichen Bänden herangewachsen waren, stellte daraus eine förmliche Anklageschrift mit einer Menge von einzelnen Anklagepunkten gegen den Fleischermeister Hoffmann und dessen vierzehnjährige Tochter Anna Hoffmann zusammen und überreichte die Schrift der Kgl. Staatsanwaltschaft. Der Erste Staatsanwalt Settegast beantragte auf Grund dieser Anklageschrift bei dem Untersuchungsrichter des Landgerichts Konitz die Eröffnung der Voruntersuchung gegen Herrn Hoffmann und seine Verhaftung.

Der Untersuchungsrichter Dr. Zimmermann *)[1] eröffnete die Voruntersuchung, lehnte aber die Verhaftung vorläufig ab, weil die Braunschen Verdachtsgründe ihm noch nicht ausreichend zu sein schienen.

Herr Braun aber erklärte, er werde den Fleischermeister Hoffmann

  1. [Der bisherige Untersuchungsrichter Rat Schulze wurde während der Untersuchung am 1. Mai nach Danzig versetzt. Diese Versetzung soll schon vor dem Morde beschlossene Sache gewesen sein. Zweckmäßiger wäre es aber wohl gewesen, diesem erprobten alten Beamten die Führung der schaurigen Untersuchung zu lassen und seine Versetzung bis zur Beendigung des Prozesses hinauszuschieben.]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Braun war ein hartnäckiger Kriminalbeamter - Verweis auf 1904
Empfohlene Zitierweise:
Max Liebermann von Sonnenberg: Der Blutmord in Konitz. Berlin: Deutschnationale Buchhandlung und Verlags-Anstalt, 1901, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Liebermann-_Blutmord_Konitz-_p020.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)