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Mord begangen haben könnten“. Solche Leute aber konnten nach der Anschauung des Herrn Wehn nur unter den Christen zu suchen sein, und daher warf er allen Ernstes auf einen jungen christlichen Schneidermeister P. seinen Verdacht.

Aus sich war Herr Wehn allerdings auch nicht auf diesen Gedanken gekommen, sondern die Konitzer Juden hatten dahingehende Gerüchte verbreitet. Aber fast alle Beamte haben unbewußt in der Winterschen Mordsache nach Ideen gearbeitet, die von der Judenschaft vorher ausgedacht und planmäßig verbreitet waren. Der vor einem Jahre verstorbene Vater des Herrn P. war früher der einzige offene Judengegner in Konitz. Grund genug für die Juden, seinem Sohne alle nur möglichen Schändlichkeiten zuzutrauen. Hat doch der Jude Klausner in seinem Blatte, der „Israelitischen Wochenschrift“ (Nr. 27 vom Jahre 1900), ausdrücklich geschrieben:

„In Konitz liegen die Dinge für die Antisemiten noch schlimmer. Hier ist der Verdacht berechtigt, daß der Mord von vornherein geplant und ausgeführt ist, mit der Absicht, ihn den Juden in die Schuhe zu schieben. Das ganze Verhalten der antisemitischen Wortführer und der antisemitischen Presse zwingt zu dieser Annahme. …

Antisemitentum und Verbrechertum sind insofern fast identische Begriffe, als es wohl Verbrecher geben mag, die keine Antisemiten sind, Antisemiten aber, die keine Verbrecher sind, nicht geben kann. Der Staat ist bisher noch nicht zu der Erkenntnis gelangt, daß er diesem besonderen Verbrechertum besondere Aufmerksamkeit zu schenken Ursache habe. Er läßt es vielmehr mit anscheinend unerschöpflicher Langmut gewähren.“ ---

Aus dem Geschäfte des Herrn P. rührte nun der Sack her worin der Rumpf des Ermordeten eingenäht gewesen war – somit galt Herr P. als sehr verdächtig.

Herr P., der mit seiner alten Mutter zusammen wirtschaftet, und dessen Bruder ein höherer Justizbeamter ist, wurde aber mit Herrn Wehn bald fertig. Er wies nach, daß der Sack aus seinem Geschäft an die Schwester des Fleischers Adolf Lewy mit anderen alten Sachen verkauft worden war. Er wies ferner nach, daß er vom Mittage des 11. März bis nachts 1 Uhr mit einer ganzen Anzahl anderer Herren, die denn doch so ohne weiteres als Meineidige nicht hingestellt werden konnten, ununterbrochen zusammengewesen war und mit ihnen eine sogenannte Bierreise gemacht hatte. Auf den ausdrücklichen Antrag des Herrn P. wurden alle diese Zeugen vom Untersuchungsrichter des Amtsgerichts zu Konitz eidlich vernommen, und Herr P. hatte dann Ruhe vor weiteren Verfolgungen. Daß er mit „warmen Brüdern“ in Verbindung stehen sollte, erwies sich als lediglich jüdische Erfindung.

Zur Ehre des Herrn Wehn muß aber gesagt werden, daß er wenigstens niemals an eine Schuld des Herrn Fleischermeisters Hoffmann geglaubt, und daß er diese seine Ueberzeugung auch offen ausgesprochen und vertreten hat.

Empfohlene Zitierweise:
Max Liebermann von Sonnenberg: Der Blutmord in Konitz. Berlin: Deutschnationale Buchhandlung und Verlags-Anstalt, 1901, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Liebermann-_Blutmord_Konitz-_p017.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)