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„Ludwig!“

„Ja, Lea?“ fragte er höflich.

„Bitte, bleib noch einen Augenblick sitzen, – ich möchte Dir etwas erzählen!“

Gehorsam leistete er ihrer Aufforderung Folge und nahm seinen Platz wieder ein.

Kurzes Schweigen.

Sie drehte ein paar Brotkrümchen in ihrer Hand zusammen und rollte sie dann auf dem Tischtuch hin und her.

Er wartete geduldig.

„Also höre:

Ein Mann und ein Weib waren vom Schöpfer füreinander bestimmt, aber sie sollten sich beide suchen. Gott warf den einen hier hin und die andere dort hin.

Das Weib war jung und schön, aber ihre Seele war anders als die ihrer Geschlechtsgenossinnen, und darum liess man sie allein und sonderte sich von ihr ab, – der Mann aber trug das Kainszeichen seiner Vereinsamung im Gesichte. Und an diesem Kainszeichen erkannte das Weib den Mann, der für sie bestimmt war, – daran erkannte sie, wie einsam er gewesen, ehe er sie gefunden. Das Kainszeichen hatte ihn vor der Annäherung der Menschen und vor ihrer Liebe geschützt,

Empfohlene Zitierweise:
Hennie Raché: 'Liebe. Roman'. G. Müller-Mann’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1901, Seite 70. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Liebe_(Hennie_Rach%C3%A9).djvu/74&oldid=- (Version vom 10.11.2016)