Augen, Ludwig, wenn Du mich küssest?“
Fassungslos starrte er sie einen Augenblick an, dann begriff er.
Ja, ja, auch er hatte die Augen geschlossen, – auch er hatte sie bei dem Kuss nicht angesehen.
Nun verstand er sie und umschlang sie von neuem ... und sie schlossen beide die Augen und küssten sich, selig über diese Liebe, die sie gesucht und nun gefunden hatten.
Sie öffneten die Augen nicht ... sie wollten sich nicht ansehen – – mit diesem Kuss hauchten sie ihre Seelen ineinander .... sie öffneten die Augen nicht, damit kein Gegenstand in ihrer Nähe die Hingebung, die in solchem Kusse liegt, ablenken könne.
„Darum schliesst man die Augen, – siehst Du!“ sagte sie, als sie erwachten.
Glückselige Tage folgten, die den beiden traumhaft dahinschwanden.
Ueber Ludwigs Wesen lag ein Glanz ausgebreitet, wie ihn nur eine grosse Liebe und ein grosses Glück verleiht.
Hennie Raché: 'Liebe. Roman'. G. Müller-Mann’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1901, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Liebe_(Hennie_Rach%C3%A9).djvu/55&oldid=- (Version vom 10.11.2016)