wegen seiner schriftstellerischen Tätigkeit in der Peter-Pauls-Festung und in der Verbannung am Ural verbracht, bis er – physisch gebrochen – kurz vor seinem Tode in sein Heimatland zurückkehren durfte. Dem größten Dichter der wiedererwachten Ukraine folgten bald die anderen, und schließlich erschien der berüchtigte Ukas vom Jahre 1876 (eine Schande des 19. Jahrhunderts!), mit welchem die ukrainische Literatursprache untersagt und die ukrainische Literatur im Zarenreiche ohne weiteres verboten wurde.
Die Furcht vor der Ukraine und die damit im Zusammenhang stehende blutige Verfolgung des ukrainischen Volkes wird leicht begreiflich werden, wenn wir uns die Bedeutung der Ukraine für Rußland vor Augen führen. Durch die Ukraine allein wurde der moskowitische Staat Iwans III. zur europäischen Großmacht, ohne Ukraine mußte er zu einem einflußlosen Staat zweiten Grades zusammenschrumpfen.
Durch die Erwerbung der ukrainischen Gebiete gelangte das russische Reich im Süden bis zum Schwarzen Meer.
Die Ukraine war bis zur zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts in allen ihren Gebieten, bis zur Vereinigung Litauens mit Polen im Jahre 1569, im überwiegenden Teile unabhängig und stellte sich als ein mächtiger Staat dar, dessen Besitzungen sich vom Sanflusse im jetzigen Galizien bis zum Don und zum Schwarzen Meere erstreckten und dessen wirtschaftliche und politische Beziehungen bis nach Konstantinopel und darüber hinaus bis nach Kleinasien reichten. An der Spitze dieses mächtigen Staates stand der Großfürst von Kijiw (russisch Kijew), dem sich die übrigen Fürstentümer unterordneten und in allen wichtigen Unternehmungen Gefolgschaft leisteten. Berühmt wurden insbesondere der Großfürst Wladimir der Große, welcher bereits im Jahre 988 mit seinem Volke den christlichen Glauben annahm, und Jaroslav der Weise, dem die ukrainischen Fürstentümer
Eugen Lewicky: Die Ukraine der Lebensnerv Rußlands (= Ernst Jäckh (Hg.): Der Deutsche Krieg, 33). Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart u. Berlin 1915, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lewicky_Die_Ukraine_1915.pdf/5&oldid=- (Version vom 24.2.2022)