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zur Genüge die gerade in den letzten Jahren in beschleunigtem Tempo erfolgten Umwälzungen auf der Balkanhalbinsel und nicht zuletzt der jetzige Krieg, der einen Weltbrand entfachte und beinahe ganz Europa mit sich riß.

Fragt man nach der eigentlichen Ursache, aus welcher die Verwicklungen im Osten Europas entstanden sind und beinahe ein ganzes Jahrhundert fortdauern, so drängt sich die Antwort von selbst auf. Nur die Eroberung der Ukraine und die Beherrschung des Schwarzen Meeres durch Rußland haben das großgewordene Zarenreich in die unmittelbare Nähe des Balkan gebracht und seine Expansionskraft nach dem europäischen Süden gerichtet.

Rußlands Streben, den Balkan unter seine Oberherrschaft zu stellen und sich eine freie Straße zum Mittelländischen Meere zu verschaffen, bildet eben mit allen daraus erfolgten Verwicklungen dasjenige Moment, welches sich zu den im ersten Kapitel geschilderten Verwicklungen und Bestrebungen im europäischen Osten gesellte und welches sich tatsächlich nur als eine Folge der mit dem Ende des 18. Jahrhunderts vorläufig zum Abschluß gelangten Kräfteverteilung daselbst darstellt. Die Lösung der seit Jahrhunderten dauernden Krisis kann daher logischerweise nur in der Beseitigung der Grundursache gefunden werden. Cessante causa cessat effectus. Das moskowitische Rußland muß vom Schwarzen Meer zurückgedrängt und zwischen Rußland und den Balkan muß ein Riegel in den Gebieten der Ukraine hineingeschoben werden. Kann Rußland durch die selbständige Ukraine wie durch einen Keil von Südeuropa getrennt werden, so wird es seine ganze Aufmerksamkeit vor allem sich selbst, seiner inneren Konsolidierung und Europäisierung zuwenden; andererseits werden die Balkanvölker, von Rußland nicht mehr aufgehetzt und

Empfohlene Zitierweise:
Eugen Lewicky: Die Ukraine der Lebensnerv Rußlands (= Ernst Jäckh (Hg.): Der Deutsche Krieg, 33). Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart u. Berlin 1915, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lewicky_Die_Ukraine_1915.pdf/15&oldid=- (Version vom 24.2.2022)