Seite:Lerne lachen ohne zu weinen 292.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Auf seinem Geburtstagstisch lag ein kleiner Karton. Er öffnete ihn, neugierig – der Karton kam von Jakopp.

Darinnen lagen, fein säuberlich zusammengebunden 50 (fünfzig) weiße Kärtchen, und auf jeder stand, hübsch gedruckt, folgendes zu lesen:

Herr Ober! Haben Sie noch einen Pfirsich-Melba? Schön, dann bringen Sie mir den – aber nicht in hohem Kelch, weils da immer so runterkleckert Ich will das lieber in einer flachen Schale haben, wo es nicht überläuft!

… Daß ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzusetzen werde: Ich habe bei Ehmke in Hamburg gesehen, wie der Doktor Arthur diesen Zettel beim Kellner abgegeben hat. Das Gesicht des Kellners werde ich vor mir sehn, solange ich lebe. Er sah erst den Doktor an, dann den Zettel, dann nochmal diesen Gast … Dann las er. Dann sah er auf – mit einem in die Weite traumverlorenen Blick – gleich, dachte ich, wird er die Arme in die Höhe werfen und den großen Liebesschrei der Eskimos ausstoßen. Nein. Er grinste. Er faltet den Mund auseinander und grinste. Der Doktor bekam seine flache Schale. Der Kellner hat sich die Karte hoffentlich einrahmen lassen.

Jetzt erhebt sich die Frage:

Wie wäre es, und wir ließen dem Arthur für sein Doktorexamen kleine Antwortzettel drucken –?

Empfohlene Zitierweise:
Kurt Tucholsky: Lerne lachen ohne zu weinen. Ernst Rowohlt, Berlin 1932, Seite 292. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lerne_lachen_ohne_zu_weinen_292.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)