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Für mich sorgen sie alle: Kirche, Staat, Ärzte und Richter.

Neun Monate lang.

Wenn aber diese neun Monate vorbei sind, dann muß ich sehn, wie ich weiterkomme.

Die Tuberkulose? Kein Arzt hilft mir. Nichts zu essen? keine Milch? – kein Staat hilft mir. Qual und Seelennot? Die Kirche tröstet mich, aber davon werde ich nicht satt. Und ich habe nichts zu brechen und zu beißen, und stehle ich: gleich ist ein Richter da und setzt mich fest.

Fünfzig Lebensjahre wird sich niemand um mich kümmern, niemand. Da muß ich mir selbst helfen.

Neun Monate lang bringen sie sich um, wenn mich einer umbringen will.

Sagt selbst:

Ist das nicht eine merkwürdige Fürsorge –?



Das Opfer einer Republik

Walther Rathenau ist für die Republik ermordet worden, die ihn niemals geschützt hat. Die unmittelbaren Täter sind unerkannt entkommen. Die mittelbaren sind zu fassen.

Seit der Kaiser seinen Krieg geführt und verloren hat, sind die beiden großen Rechtsparteien damit beschäftigt, zu kneifen und die Schuld an Krieg und Niederlage andern aufzubürden. In ihrer Unklugheit haben sich Bürgerliche bereitgefunden, den Waffenstillstand zu unterzeichnen – es wäre des geschlagenen Ludendorffs Sache gewesen, nach Canossa zu gehen, so, wie er ja auch durchs Brandenburger Tor gezogen wäre und das nicht den Parlamentariern überlassen hätte. Es ging aber Erzberger hinüber und unterschrieb. Bürgerliche des neuen Systems gingen nach Versailles und unterschrieben. Den

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Kurt Tucholsky: Lerne lachen ohne zu weinen. Ernst Rowohlt, Berlin 1932, Seite 69. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lerne_lachen_ohne_zu_weinen_069.jpg&oldid=- (Version vom 31.3.2018)