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den die Menschen Fischer, aber der Soldat Päcksgen nannte, weil er wie ein solches auf dem Pferde hing; wir präsentirten, er blieb vor Schnitzler halten, dem die Schuppenketten unvorschriftsmässig ums Kinn lagen, sah ihn scharf an und sprach das grosse Wort: ‚mit losen Schuppenketten schlägt man keinen Feind!‘

Eines anderen Tages trat das ganze Regiment an, das in verschiedenen Ortschaften lag, um vom Oberst besichtigt zu werden. Der Oberst war im Anfang des Krieges schwer verwundet worden, jetzt kam er zum Regiment zurück. Inzwischen waren seine beiden Söhne gefallen. Ein stattlicher Mann mit langem grauem Bart, sehr barsch und doch freundlich. Nachdem er die Reihen abgeschritten und vielen seiner alten Soldaten ein gutmütiges Wort gesagt, dann die Officiere um sich versammelt und angeredet hatte, hörte ich zu meinem grössten Erstaunen, wie er laut fragte: ‚in welcher Compagnie ist der Einjährige Leo?‘ Mein Hauptmann rief mich sofort heraus, ich kam eilig vor die Front und der Oberst nahm mich ganz beiseite. ‚Warum schreiben Sie nicht nach Hause?‘ fragte er. ‚Ich habe immer geschrieben, Herr Oberst, wenn wir Fühlung mit der Feldpost hatten‘ antwortete ich. ‚Nun dann wird der alte Herr ja jetzt zufrieden sein‘ sagte er, und ich durfte wieder gehn. Mein Vater hatte also in der Zeit der grössten Spannung, als täglich die Nachrichten über unsre Gefechte und endlich über die Schlacht bei Le Mans kamen, aber kein Brief von mir, da wir nichts auf die Post geben konnten, an den Obersten

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Friedrich Leo: Kriegserinnerungen an 1870–71. Göttingen: W. Fr. Kaestner, 1906, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Leo_Kriegserinnerungen_75.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)