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Der Fingerhut.

Hast du noch immer nicht gefunden den unschätzbaren Fingerhut,
Um den du plötzlich aufgesprungen und meinen Armen dich entrungen?
Ich ließ dich fahren mit verbissner, doch wahrlich nicht geringer Wuth.
Wär’ ich ein Forscher, spräch’ ich trocken: indeß du’s Hütlein suchst erschrocken,

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Such’ ich, worauf das Herz des Weibes, das wandelbare Ding beruht?

Wär’ ich ein Schwärmer, rief ich fluchend: o wär’ ich doch, den Rhein besuchend,
Ertrunken in den tiefsten Wirbeln der weitberufnen Bingerflut!
Als Egoist da würd’ ich sprechen: das Hütlein schützt sie vor dem Stechen;
Ich will’s mit meinem Herzen halten, wie sie mit ihrem Finger thut.

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Nicolaus Lenau: Nicolaus Lenau’s dichterischer Nachlaß. J. G. Cotta, Stuttgart und Augsburg 1858, Seite 134. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lenau_-_dichterischer_Nachlass,_1858.djvu/154&oldid=- (Version vom 22.4.2023)