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und das Wort Freund ist ihm heilig. „Wir sind Brüder,“ beginnt eins seiner schönsten Lieder, das in Konstantinopel bei fast allen armenischen Versammlungen gesungen wird. Aus diesem Liede ist auch seine Grabschrift entnommen: „Unter den Sternen giebt es nichts Erwünschteres als das Wort „Bruder“.“ Als zarte, empfängliche und südlich glühende Natur ist ihm natürlich die Liebe zu den Frauen ein Hauptmoment des Lebens, aber er ist weit davon entfernt, gleich anderen orientalischen Dichtern in ihnen nur die Spenderinnen sinnlicher Freuden zu[WS 1] sehen. Für ihn ist das Weib ein ideales Wesen, das er nicht nur mit dem Herzen, sondern auch mit der Seele liebt. Seine Gefühle sind züchtig und rein, seine Entzückung über die Körperschönheit der Geliebten verrät nie Gelüste nach sinnlichem Genuss, sondern ist edel und zart. Der schöne Körper der Geliebten ist ihm eine zarte Blume, die er mit Entzückung betrachtet und preist, aber nicht ein Gefäss der Wollust, das er nur besitzen will, um seine Gelüste zu befriedigen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: su
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Arthur Leist: Litterarische Skizzen. Wilhelm Friedrich, Leipzig [1886], Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:LeistLitterarischeSkizzen.pdf/63&oldid=- (Version vom 1.8.2018)