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Johann Joachim Kändler54) stammte aus Seligstadt bei Bischofswerda, wo er als erster Sohn des Mag. Johann Joachim Kändler, Pastors zu Fischbach und Seligstadt, 1706 geboren wurde. Als sein Vater die Begabung desselben für die Kunst erkannte, unterwies er ihn selbst in der Mythologie und den Kunstwerken des Altertums und übergab ihn dann zur künstlerischen Ausbildung 1723 dem Hofbildhauer Thomä in Dresden. Einige vom jungen Kändler für das Grüne Gewölbe bossierte Stücke gefielen August II. so, dass dieser ihn 1730 zum Hofbildhauer ernannte und ihm 1731 als Modellmeister, wie es damals hieß, die Oberaufsicht über die Gestaltungsbranche der Meißner Manu- faktur übergab. 1749 erhielt er den Titel eines Hofkommissars. Direktor der Manufaktur ist er aber nicht gewesen, denn einen solchen gab es nicht. Am 17. Mai 1775 starb er und wurde auf dem St. Afrakirchhofe oben bei dem Coenakel der Fürsten- schule beigesetzt. Seine Witwe verzog nach Neustadt bei Dresden, wo sie in ihrem 88. Jahre 1798 verschied. über die künstlerische Bedeutung Kändlers, welche bisher eine genügende Würdigung nicht gefunden hat — am wenigsten in den neuesten Artikeln über ihn —, teilt Herr Vorsteher Andresen, der dessen Thätigkeit wohl am besten zu beurteilen vermag, unter Benutzung eines Aufsatzes von Dr. Winter in der Beilage zum Meißner Tageblatt 1888 nr. 91 folgendes mit: Der Einfluß Kändler’s auf die Königl. Porzellanmanufaktur ist ein ganz außerordentlicher und weittragender gewesen, ja er ist bis auf unsere Tage maßgebend sowohl im Hinblick auf die technische Behandlung des spröden Materials, für das er als leitender Meister einer Anzahl Genossen seine Thonmodelle entwarf und ausführte, als insbesondere auch wegen ihres hohen künstlerischen Wertes. Es ist in der That erstaunlich, welche Fülle von Modellen in seiner Zeit entstanden ist; ein Teil der- selben sei hier erwähnt. Für den russischen Hof wurden 40 allegorische und mythologische Gruppen angefertigt: Die Er- oberung und Befreiung der Krim,* Sieg über die Türken, Neptun auf Wagen* Venus auf Wagen (Galathea),* Phöbus auf Wagen,* Luna aufWagen* Mars aufWagen,* Venus aufWagen*, Jupiter 54) Mannschaftsbuch der Königl. Manufaktur 1744/95. Daßdorf, Be- schreibung Dresdens 1782. S 610. Hasche, Magazin 1 (1784). S. 258 u. f. 2, 663 u. f. Haymann, Dresdens Schriftsteller und Künstler 1809. S. 401. Füßli, Künstlerlexikon 1, 338. Nagler 6, 518. Müller, die Künstler aller Zeiten und Völker 2, 462 und Allgemeine deutsche Biographie 15, 76 verwechseln beide Bischofswerda mit Marienwerder. Engelhardt, J. E. Böttger. S. 526. Klemm, die Königl. sächs. Porzellansammlung 1834. S. 39. 103 u. ö Böhmert, Geschichte und Statistik der Meißner Porzellanmanufaktur. S. 5. 25. Totenbuch von St. Afra z. g. J.

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Loose: Lebensläufe Meißner Künstler. C. E. Klinkicht & Sohn, Meißen 1888, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lebensl%C3%A4ufe_Meissner_K%C3%BCnstler.pdf/49&oldid=- (Version vom 13.12.2024)