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reale Darstellungen verlangte, während ich aus zwingenden künstlerischen Gründen, welche die gegebene Architektur bedingte, Darstellungen in idealer Form für nötig hielt. Diejenigen, welche die Opposition offen vertraten, stellten die künstlerischen Bedingungen in zweite, ihre persönlichen Wünsche aber in erste Linie. Ich habe diesen ihre Wünsche gar nicht verübelt; ich erkannte aber recht wohl, daß hier eine Macht mit im Spiele war, welche mir das Leben und künstlerische Streben in Dresden sehr verkümmern konnte, so daß ich den Beschluß faßte, nach Berlin überzusiedeln, wo man mir von maßgebender Seite sehr wohlwollend entgegenkam und Förderung meiner Bestrebungen zusicherte. Als ich einige Tage in Berlin war, erhielt ich eine Mitteilung eines Mitgliedes des akademischen Rates, daß verschiedene Mitglieder desselben sich an das Ministerium mit dem Ersuchen gewendet hätten, mich in Dresden zu halten; ich solle mich in Berlin nicht binden. Auf meine Anfrage schrieb mir Professor Hettner, ich müßte nach Dresden zurück; es würde alles geschehen, um, wie er sich ausdrückte, meine Kraft für Dresden zu erhalten, und da ich einige Zeit darauf bei einem Besuche im Ministerium Beweise großen Wohlwollens erhielt, habe ich mein Ziel in Berlin nicht verfolgt, sondern kehrte wieder nach. Dresden zurück. Ich that damit einen Schritt, den ich sehr oft tief bedauert habe, denn trotzdem die sächsische Regierung und das Land alle Opfer bringen, ein frisches Kunstleben in Dresden zu schaffen, so kann doch kein Maler sich frei in großartiger Weise entwickeln, weil so viele Künstler aufeinander hocken, welche alle berücksichtigt sein wollen. Zudem sind die Parteien so feindselig zugespitzt, daß jeder, der zwischen diese kommt, mehr oder weniger erdrückt wird, während in Berlin die verschiedensten Richtungen sich groß und frei entwickeln können. Der Streit wegen der Darstellungen im Polytechnikum wurde geschlichtet und meine Wünsche, wenn auch nicht ohne Kampf, bewilligt. Ich legte bei dieser Arbeit die Thaten des Prometheus als sinnbildlicher Gestalt des schöpferischen Menschengeistes zu Grunde; Prometheus bringt der Urmenschheit das Feuer, lehrt den Gebrauch des Hebels als Seele der Maschine, lehrt das Schmieden und Spinnen, Bauwerke aufrichten, Brücken schlagen und die Dampfkraft zum Nutzen der Menschheit sich unterthan machen. An der Decke sind dargestellt die allegorischen Gestalten der Kunst und Wissenschaft als Zeichen, daß beide vereint am Polytechnikum wirken. Nach Abschluß dieser Arbeit hatte ich die Freude, daß aller Widerspruch geschwunden war und sogar diejenigen, welche am meisten gegen meine Bestrebungen geeifert

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Wilhelm Loose: Lebensläufe Meißner Künstler. C. E. Klinkicht & Sohn, Meißen 1888, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lebensl%C3%A4ufe_Meissner_K%C3%BCnstler.pdf/33&oldid=- (Version vom 8.12.2024)