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malten Binzer und ich fleißig in Dölkau. Bei einem Besuche in Dresden redete mir Professor Hähnel zu, bei der Konkurrenz um das große Reisestipendium mich zu beteiligen. Da es dazu nötig war, eine größere Arbeit in einem akademischen Atelier auszuführen, ich aber nach dem früher Vorgefallenen nicht sofort in Schnorrs Atelier wieder eintreten konnte und in ein anderes nicht wollte, so vermittelte Professor Hähnel die Sache. Ich erhielt eine sehr freundliche Einladung Schnorrs zu einem Besuche, bei welchem mich der hochverehrte Meister in herzlichster Weise aufnahm; er sagte, daß es ihm eine große Freude sein würde, wenn ich in sein Atelier wieder eintreten wolle, ich sollte mir den besten Platz aussuchen, und er versprach mir auch, daß er mir Zeit seines Lebens ein treuer väterlicher Freund bleiben würde. Dies Versprechen hat er in edelster Weise gehalten. – Schnorr von Carolsfeld ist der großartigste Maler, welcher je in Sachsen geboren wurde; wer ihm näher getreten ist, weiß aber auch, daß er eine der edelsten und reinsten Künstlernaturen war. Er suchte in diesem Sinne auf seine Schüler einzuwirken, und die, welche ihn verstanden, haben gewiß für ihr ganzes Leben einen belebenden Funken erhalten. Aber im gewöhnlichen Sinne war er kein Lehrer. Sein Geist war ausgefüllt von gewaltigen Gestalten der Religion, Geschichte und Romantik; mit Leichtigkeit hätte er die Arbeiten seiner Schüler zu bedeutenden Werken umändern können, aber er legte nur selten Hand an die Schülerarbeiten. Was hätte dies auch genützt; er hätte die Schüler nur betrogen, denn später ohne seine Hilfe wären sie doch in ihre Unbedeutendheit wieder zurückgesunken. Jeder Schüler sollte seine Arbeiten selbst schaffen; wohl gab er gute Ratschläge, welche aber nicht immer benützt wurden. Der Meister wollte nicht, daß wir ihm sklavisch nachahmten. Er hatte sich aus eigner Kraft zum gewaltigen Künstler herangebildet und verlangte nun auch von jedem Schüler Selbstringen. Wer aufmerksam war, konnte bei Schnorr viel lernen. Ich zeichnete im Atelier einen großen Karton „Rudolph von Habsburg an der Leiche Ottokars von Böhmen nach der Schlacht auf dem Marchfelde“ und malte ein Porträt (das Porträt meiner späteren Frau). Mit diesen Arbeiten und einer Anzahl anderer kleinerer und größerer Kompositionen errang ich mir das große Reisestipendium. Mein Wunsch war, bevor ich nach Italien ging, einen Teil des Stipendiums in München verwenden zu dürfen; ich wollte bei Piloty Malstudien machen und womöglich den genannten Karton als Bild ausführen. Denn obwohl ich vollständig von den großartigen Intentionen unsrer großen Meister Cornelius, Schnorr u. s. w. innerlich

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Wilhelm Loose: Lebensläufe Meißner Künstler. C. E. Klinkicht & Sohn, Meißen 1888, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lebensl%C3%A4ufe_Meissner_K%C3%BCnstler.pdf/28&oldid=- (Version vom 8.12.2024)