in Berührung kam. Ein zur Reformationszeit aufgehobenes Franziskanerkloster mit dunklen, altertümlichen Kreuzgängen, eingeengt von Mauern, Zwingern, Dächern, war der Tummelplatz der damaligen Jugend des Städtchens. Die Lehrer bestanden in einem Rektor, zwei Konrektoren(?), einem Hilfslehrer und einem Schreibmeister. Die Namen von zwei der Lehrer habe ich noch behalten; der eine Konrektor hieß Magister Rittrich, der andere Herr Schreibemeister Mai. Alle bewohnten das Kloster. Der Rektor mit einer fuchsig roten Perücke, eine Figur, wie sie heut zu Tage allenfalls noch in komischen Stücken auf der Bühne gesehen wird, war ein altes, verhuzeltes, aber unsäglich gelehrtes Männlein, das vergebens trotz aller schulmonarchischen Würde die zuchtlose Bande von Buben aller Art im Zaum zu halten suchte und so der Gegenstand heimlichen Spottes und derjenigen Jungenstreiche war, welche sich aller Orten und aller Zeiten in den Schulen finden und gleichen. Außer dieser Schule besuchte ich noch Privatstunden, in denen Natur- und Völkerkunde, Latein und bei einem Franzosen Seigée Französisch gelehrt werden sollte.“ Ein langwieriges Augenleiden brachte oft Monate lange Unterbrechungen der Schule und machte vielen Aufenhalt im Freien nötig. „Ein beneidenswertes Leben seliger Freiheit bevorzugte mich dadurch vor vielen meiner Altersgenossen und Spielkameraden, deren sich jedoch noch genug fanden, diese Freiheit auch ohne ärztliche Verordnung mit mir zu teilen. Jeder Nachmittag wurde bei gutem und schlechtem Wetter bis zum Dunkelwerden im Umherstreifen der Fluren, Thäler, Berge, Büsche und Wälder, die das Meißner Land so anmutig machen, verbracht. – Ein vieljähriger treuer Gefährte dieses Lebensabschnittes war ein gleichaltriger Bursche Namens Reuß [† als Maler an der Manufaktur, bis zum Tode eng befreundet mit Crola], dem sich ein älterer lustiger, aber leichtsinniger Vetter Namens Fröhlich zugesellte. Dieser blies ziemlich gut Flöte, so daß ich gern dabei war, wenn er mit dieser in der Tasche kam und uns aufforderte, mit ihm nach diesem oder jenem Dorf zu gehen. Oft saßen wir dann auf den braunen duftenden Heidehügeln, in der Tiefe die strömende, blau schimmernde Elbe, über ihr in ferner Luft die Türme Dresdens, noch weiter zurück die Umrisse der sächsischen und böhmischen Grenzgebirge, um uns die wohlbekannten Fluren und Ortschaften, welche jede eine besondere Erinnerung oder Merkwürdigkeit für uns enthielt. Wie lieblich klangen da in den stillen, heiteren Sommerabenden die zusammenstimmenden Flöten in ihren sich suchenden und findenden Sexten, Quinten
Wilhelm Loose: Lebensläufe Meißner Künstler. C. E. Klinkicht & Sohn, Meißen 1888, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lebensl%C3%A4ufe_Meissner_K%C3%BCnstler.pdf/16&oldid=- (Version vom 12.12.2024)