Seite:Lebensläufe Meissner Künstler.pdf/101

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

unter den jüngeren Künstlern Roms der bedeutendste, teils durch sein kräftiges Talent, vorzüglich auch durch Ausdauer und eisernen Fleiß. Seine Arbeiten sind voller Wahrheit; es sind der künstlerischen Seele entsprungene Gedanken.“

Im Frühling 1859 erhielt Wittig einen Ruf nach Düsseldorf. Die schon längst geplante und gewünschte Errichtung einer Bildhauerschule daselbst verwirklichte endlich der Kultusminister v. Bethmann-Hollweg; derselbe berief auf Empfehlung von Cornelius, Schnorr und Rietschel für die zu begründende Kunstanstalt Wittig als Professor und Lehrer der Skulptur. Anfangs lehnte dieser ab, da er für immer in Italien bleiben wollte. Erst im Spätherbst des genannten Jahres nahm er die Berufung an; 1864, nachdem er in Rom angefangene Arbeiten vollendet hatte, siedelte er nach Düsseldorf über, wo er mit großem organisatorischen Talent neben der berühmten Malerschule die neue Bildhauerschule ins Leben rief und sie zu anerkannter Höhe emporführte. Aus seinem eigenen Atelier sind seit jener Zeit eine Reihe bedeutender Kunstwerke hervorgegangen. Die Ausführung der Statue eines Auferstehungsengels wurde durch den Krieg 1866 unterbrochen. Um diese Zeit beauftragte der preußische Kultusminister Wittig, die Gruppe Hagar und Ismael in carrarischem Marmor für die Nationalgalerie in Berlin auszuführen. Der Künstler arbeitete das Modell noch einmal durch und begab sich 1869 und 1871 selbst nach Italien, um die Arbeit zu überwachen; als sie vollendet war, ernannte ihn die königliche italienische Akademie der Künste zu Carrara wegen dieser vollendeten Kunstschöpfung zum Ehrenmitglied. Es folgten dann die Arbeiten für das Leipziger Theater, die vortreffliche Büste des Cornelius, welche Wittig bei Gelegenheit der Todesfeier desselben in dreifacher Lebensgröße für die Nationalgalerie in Berlin ausführte, dann die große Bronzebüste Schadows, die auf ihrem Postament von hellgrauem Granit eine Zierde Düsseldorfs bildet, ferner eine Kolossalbüste, ebenfalls in Bronze, für eine Besitzung in Bergisch-Gladbach; drei Medaillonporträts von Phidias, Michel Angelo und Peter Vischer kamen an das auf Wittigs Anregung errichtete Museum der Gipsabgüsse in Düsseldorf und vier andere: Rafael, Michel Angelo, Dürer und Holbein an die Rheinfassade des Akademiegebäudes, diese gingen aber 1872 bei dem Brande desselben zu Grunde. Die noch erhaltenen Modelle wurden in frevelhafter Weise vermittelst Einbruchs gänzlich zerstört. Aus dem Jahre 1871 ist auch die Wittigsche Ergänzung der Venus von Melos im Louvre hervorzuheben, wozu schon verschiedene Vorschläge gemacht worden waren, von künstlerischer Seite

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Loose: Lebensläufe Meißner Künstler. C. E. Klinkicht & Sohn, Meißen 1888, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lebensl%C3%A4ufe_Meissner_K%C3%BCnstler.pdf/101&oldid=- (Version vom 15.12.2024)