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Dritter Brief.

„Ich bin ein unbekannter, aber großer Verehrer Ihrer Schriften. Sie suchen, und das ist edel, vornemlich der Jugend den Weg zur Glückseligkeit zu zeigen und sie vom Laster abzuschrecken. Mein Bewegungsgrund, an sie zu schreiben, ist die demüthige Frage: wie gelange ich wieder zu meiner verlornen Seelenruhe, nachdem ich meinen Leib durch das Laster der Onanie so sehr geschwächt habe? Meine Gestalt, die Gott gut gebildet hatte, ist verfallen. Eingefallene bleiche Wangen, Schwachheiten des Nervensystems, die schwärzeste Melancholie und öftere hypochondrische Zufälle sind die betrübten Folgen dieses Luderlebens. Hierzu kommt eine Gleichgültigkeit gegen die Schönheiten der Natur, von denen ich sonst ein so großer Freund war. Ich gehe oft gefühllos durch die seegenreiche Herbstnatur, und weine oft, ohne daß ich es kaum weiß. Sehe ich einen gesunden blühenden Menschen, so beneide ich ihn, und denke: so könntest du auch seyn, wenn du deinen Körper durch das schändlichste aller Laster nicht so verwüstet hättest! Und so bin ich der schwermüthigste und unglücklichste Mensch. –

Empfohlene Zitierweise:
Johann Friedrich Oest: Wie man Kinder und junge Leute vor dem Laster der Unzucht verwahren könne. Wien 1787, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Laster_der_Unzucht_(Oest)_044.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)