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dieser behaupten, daß für ihn das Gegenständliche nicht in Betracht kommt, daß für ihn der Genuß, und dies ist der zarteste ästhetische, in der Werthschätzung von Auffassung und Behandlung beruht.» Ich erwidere: erstens bestreite ich auf Grund des Gesagten, daß eine solche Auffassung die künstlerische ist, denn sie ist einseitig. Zweitens: die Kunst wird nicht für solche Feinschmecker geschaffen, sondern für die Allgemeinheit der Gebildeten, denn diesen wird sie in der Öffentlichkeit dargeboten. Hat ein Kunstliebhaber Freude an jenen von mir verurtheilten Dingen, so verwehrt es ihm Niemand, sie für sich anfertigen oder sich vorführen zu lassen. Auch sei es ihm unbenommen, insonderheit sich an den greulichen unflätigen Karikaturen als geistreich gerühmter moderner Illustrationen in Büchern und Flugblättern zu ergötzen. Vor die Öffentlichkeit aber gehören derartige Erzeugnisse nicht.

Als dritter Einwand macht sich geltend: «Das, was du gesagt hast, gilt wohl für die große Kunst, aber nicht für die kleine, die illustrierende, die satirische». Ich erwidere: wenn man von Satire sprechen will, dann wäre diese wahrlich auf etwas ganz Anderes angebracht, nämlich auf dieses ganze moderne Kunsttreiben selbst. Und weiter. Eine Satire, die das Unsittliche selbst darstellt, wirkt unsittlich. Darüber kommen wir nicht hinaus. Was bleibt den sogenannten Satirikern in solchem Falle weiter übrig, als zu übertreiben, und zwar eben das unsittlich Sinnliche, das heißt die ekel- und begierdeerregenden Elemente zur besonderen Eindringlichkeit zu bringen? Der Humor, ich sagte es früher, hat hier sein Recht verloren.

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Henry Thode: Kunst und Sittlichkeit. Carl Winter’s Universitätsbuchhandlung, Heidelberg 1906, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kunst_und_Sittlichkeit.pdf/37&oldid=- (Version vom 1.8.2018)