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Und die Argumente für sie, wir haben sie in den von uns festgestellten allgemeinen Grundsätzen vom Wesen der Kunst bereits zur Hand. Einen Blick müssen wir aber zuvor noch dem künstlerisch Subjektiven zuwenden.

Zweierlei gilt es hier wohl zu unterscheiden. Die eine Erscheinung ist die Ausnutzung der Kunst im Dienste des Gemeinen und Perversen. Ihr gegenüber dürfen wir keine Schonung irgendwelcher Art walten lassen. Erschreckend hat sie sich ausgebreitet. Überall tritt sie uns entgegen. Hier liegt eine unmoralische Absicht von Menschen vor, die auf den Namen Künstler kein Anrecht haben. Hier das vor nichts zurückscheuende Sensationsverlangen, hier die raffinierte Berechnung der Reizmittel für abgestumpfte Nerven — man denke nur an Alles, was man uns in illustrierten Blättern und auf den Bühnen zu bieten wagen darf! Raffiniert ist diese vorgegebene Kunst, weil sie alle Mittel kennt, die niedrigsten Instinkte, die im Menschen walten, zu entfesseln. Daß diese widrigen und entsetzlichen Erzeugnisse mit Kunst nichts zu thun haben, nichts zu thun haben können, darüber ist kein Wort zu verlieren. Gestatten wir der Kunst nicht einmal eine moralische Absicht, wie sollte eine unmoralische mit ihr vereinbar sein? Nur ein Wahnsinniger könnte dergleichen behaupten. Aber Thatsache leider ist es: ein sehr großer, ja der größte Theil der Hervorbringungen, die wir betrachten, beruht auf unsittlicher Absicht. Wir weisen sie zurück als den schändlichsten Mißbrauch der Kunst.

Die andere Erscheinung des uns Abstoßenden ist die Folge eines Wahnes, in dem so viele Künstler befangen

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Henry Thode: Kunst und Sittlichkeit. Carl Winter’s Universitätsbuchhandlung, Heidelberg 1906, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kunst_und_Sittlichkeit.pdf/27&oldid=- (Version vom 1.8.2018)