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mit Abscheu zu nennen pflegten, in unsere Verhältnisse übertragen und von uns nachgeahmt wurde. Wir sind uns selbst untreu geworden, und ich meine, es ist der Augenblick eingetreten, ein jeder Sinnende fühlt es, daß wir uns entscheiden müssen, ob wir diese uns Deutschen heterogenen perversen Elemente länger dulden wollen oder nicht, ob wir zugeben wollen, daß unsere Jugend vergiftet, das Volk demoralisiert, unsere Bildung aufs Spiel gesetzt wird. Von unserer Entscheidung hängt es ab, ob das ringende Gute den Sieg erhalten soll, ob die edlen schlichten und wahrhaften Kunstbestrebungen, die doch überall in Deutschland zu gewahren sind, zur segensreichen Entwicklung gelangen. Denn diese sind gehemmt durch das überwuchernde Undeutsche, welches in der Öffentlichkeit als das Alleinseligmachende proklamiert wird.

Jenes uns Fremde hätte nun aber eine solche Verbreitung und Machtstellung nicht erlangen können, wenn nicht eine Berechtigung dafür gesucht worden wäre, und diese war man bemüht, durch wiederum entlehnte ästhetische Behauptungen zu erbringen, durch Geltendmachung einer Anschauung von der Kunst, die von Grund aus verschieden von derjenigen ist, die wir zuvor besaßen. Ja, ich gehe noch weiter und sage: einer Kunstanschauung, wie sie niemals zuvor geherrscht hat. Nach meinen Kenntnissen der Kunstgeschichte giebt es nichts Älteres, was, der Art nach, dem jetzt auftretenden Unsittlichen verwandt genannt werden könnte. Und ich finde in den großen Epochen der Kunst, mag ich in das Alterthum zurückgehen, mag ich mich mit dem Mittelalter und der Renaissance beschäftigen, mag ich

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Henry Thode: Kunst und Sittlichkeit. Carl Winter’s Universitätsbuchhandlung, Heidelberg 1906, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kunst_und_Sittlichkeit.pdf/14&oldid=- (Version vom 1.8.2018)