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wieder auf sich selbst zu besinnen. Unverwandt wollen wir das Auge — weg von der Zerstörung und dem Chaotischen - dorthin richten, wo uns ein Sehnen, ein Streben sich zeigt. Wir wollen inmitten brandender Willkür uns den Bau sittlicher und ästhetischer Gesetzmäßigkeit errichten. Alle Bausteine liegen bereit, denn die Gesetze und Formen selbst, wir haben sie nicht mehr zu schaffen, sie sind uns scharf ausgeprägt von unserer germanisch-christlichen Religion und Kunst gegeben. Es kommt nur darauf an, daß wir sie zur Kultur zusammenfügen; dann wird, dann muß — nicht ein Nutzbau — nein, ein Gralstempel deutscher innerer Gemeinsamkeit sich erheben.

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Und schaue ich nun wieder auf diese unsere gemeinsame Versammlung hin, so schlägt mein Herz Ihnen entgegen. Was ich in Ihren Blicken lese, während ich zu Ihnen von jenem Meister, in dem Kunst und Persönlichkeit zu Einem, zum fast überirdischen Ideale wurden, von Raphael spreche, — das verrät mir ein Streben, ein Sehnen. Und die Hoffnung erwächst immer von Neuem. Die Kunst wird uns Führerin zur Religion, zur Kultur. Sie verbindet uns mit der Kraft, die schließlich Alles schafft: der Liebe, zu feurigem Bunde. So danke ich Ihnen nochmals, daß Sie durch diesen Blumenschmuck, durch warme Worte die Herzlichkeit Ihrer Gesinnung und damit das Eine als vorhanden bewiesen haben, was ich immer fühlte, wenn ich hier sprach und Sie mir zuhörten: nämlich, daß wir auf dem richtigen Wege sind, der uns zur ideellen Gemeinsamkeit führt. Lassen

Empfohlene Zitierweise:
Henry Thode: Kunst, Religion und Kultur. Carl Winter’s Uinversitätsbuchhandlung, Heidelberg 1901, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kunst,_Religion_und_Kultur.pdf/24&oldid=- (Version vom 1.8.2018)