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sich gegen den romanischen Tyrannen empört, den Meister der Lüge, den großen Lehrer der ruchlosen Selbstsucht: so zieht Schenkendorf vielmehr zum heiligen Kreuzzuge aus gegen den Antichrist der Revolution. „Wo, Tod, sind Deine Schrecken, wo, Hölle ist Dein Sieg?“ läßt er den Landsturm rufen, den er anwirbt: „Du liebende Gemeine, wie sonst am Tisch des Herrn, im gläubigen Vereine, wie fröhlich strahlt Dein Stern! Wie lieblich klingt, wie heiter, der Losung Bibelton: Hie Wagen Gottes, Gottes Reiter, hie Schwert des Herrn und Gideon!“ – „Die Christenbanner wehen, Dein ist, o, Herr, der Sieg!“ läßt er die preußischen Reiter singen. Aus der Nacht der Zeiten strahlt ihm die alte Kaiserlegende wie der Hoffnungsstern unserer Zukunft entgegen. Aber das hindert seine reine, ehrliche Natur nicht, an der erwachten Kraft des neuen, im Grunde nach ganz anderen Zeiten hinstrebenden Volksgeistes sich von Herzen zu freuen, sofern sie eben das Vaterland rettet, und, in glücklicher Stunde, so zu sagen die innerste Seele der Volksbewegung, die tiefe, brünstige Sehnsucht nach Frieden, Recht und Ruhe in wunderbar innigen Weisen ausklingen zu lassen.

„Ein Morgen soll noch kommen,
Ein Morgen hell und klar;
Sein harren alle Frommen,
Ihn schaut der Engel Schaar.
Bald scheint er sonder Hülle
Auf jeden deutschen Mann.
O brich, Du Tag der Fülle,
O Freiheitstag, brich an!

Dann Klang von allen Thürmen,
Dann Klang aus jeder Brust.
Dann Ruhe nach den Stürmen
Dann Lieb’ und Lebenslust.
Dann schallt auf allen Wegen
Ein frohes Siegsgeschrei,
Und wir, ihr wackern Degen,
Wir waren auch dabei!“

Ist das nicht der Seelenton des echten, deutschen Liedes? Und dann, so soll es diesem frommen Romantiker auch nicht vergessen werden, daß er den schönsten und frischesten Kranz niederlegte auf das Heldengrab des Mannes, von dem mit Wahrheit zu sagen war:

„Treuer war wol Keiner, reiner,
Näher stand dem König Keiner,
Doch dem Volke schlug sein Herz“,

Es ist das Lied von Scharnhorst, dem Schöpfer des preußischen, un­vergleichlichen Volksheers, des Palladiums unserer Freiheit und Ehre. Schenkendorf’s vielgesungenes und – vielbelächeltes „Freiheitslied“ mischt Waldluft, Freundschaftsdrang, Liebessehnsucht mit kirchlicher Frömmigkeit gewiß zu einem wunderlichen Elixir zusammen. Aber trifft es nicht in’s innerste Herz unseres deutschen Bewußtseins, wenn es fortfährt:

„Wo sich Gottes Flamme
In ein Herz gesenkt,
Das am alten Stamme
Treu und liebend hängt,
Wo sich Männer finden,
Die für Ehr’ und Recht
Muthig sich verbinden,
Weilt ein frei Geschlecht.“

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kreyßig: Die Dichter der Befreiungskriege. A. H. Payne, Leipzig 1870, Seite 219. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kreyssig-Die_Dichter_der_Befreiungskriege.pdf/7&oldid=- (Version vom 10.12.2016)