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wenn nicht an die Schlachtfelder des Freiheitskampfes, so doch an die ersten Geisteskämpfe unserer jungen, innern Freihheit, die unsere Herzen so ganz anders und höher schlagen lassen bei den heiligen, symboli­schen Klängen der Arndt’schen, Körner’schen, Uhland’schen, Schenkendorf’schen Lieder? Wären es wirklich nur die Hoffnungen, die Entschlüsse schöner, da­hin gegangener Tage, die aus dem Nebel der Zeit auftauchenden guten Gesichter der Freunde, mit denen wir diese Lieder zuerst sangen, welche es uns so ganz anders musikalisch, so heiß und kalt werden lassen, wenn wir „des Gottes gedenken, der Eisen wachsen ließ“, und keine „Knechte wollte“, oder „der guten Stunde, die uns vereint fand im vollen, deutschen Männer­chor“, oder des heilig naiven Jugendzornes „gegen die Buben hinter dem Ofen“, und den süßen Träumen von „der Freiheit, dem holden Wesen, gläubig, kühn und zart“, in die sich leise alles Beste und Schönste verwob, was das Herz ahnend ersehnte, und was die Phantasie unentweihter Jahre dem noch ungebrochenen Lebens- und Glücksinstincte guter, deutscher Jungen vorzaubern mochte? Wir wollen das hier nicht untersuchen. In alle Wege aber scheint diese Stunde der ernsten, sehr ernsten Freude, des Besinnens und Zusammennehmens die rechte zu sein, jener Jugendoffenbarungen des deutschen Volksbewußtseins wieder einmal in Liebe und Treue zu gedenken, auf daß das Wort nicht vergebens gesagt sei:

„Und stehst Du dann, mein Volk, umstrahlt vom Glücke,
In Deiner Vorzeit heilgem Siegesglanz,
Vergiß die treuen Todten nicht, und schmücke
Auch unsere Urne mit dem Eichenkranz.“

Und so soll denn der erste Erinnerungskranz sich um das Denkmal des Reinsten und Kühnsten legen, des rechten Princeps Juventutis, des Sängers, dem ein gütig-ernstes Schicksal das Wünschenswertheste gestattet: dahin zu gehen in der Fülle der schon bewährten Kraft, in der Blüthe der Hoffnung, einig mit sich und dem Leben, ein Liebling der Götter, im Sinne des helle­nischen Weisen. Reiner, idealer, schwungvoller als alle anderen Sänger der Freiheitskriege, ohne allen Nebengeschmack politischer, ästhetischer, religiöser Parteimeinung, giebt Körner[1] der Trauer über die Schmach des Vater­landes, dem heroischen, rührenden Zorne, der himmelanfliegenden Poesie des jugendlichen Opfermuthes ihren vollgültigen, singenden und klingenden Aus­druck. Man weiß, wie Schillers mächtiger Einfluß, durch den seines mit jenem so innig befreundeten Vaters verstärkt, Körners Jugendentwickelung fast ausschließlich bestimmte. Aber was ihn in Schillers Dichtungen packte und zur Nachfolge begeisterte, das war nicht sowol der quietistische Kunstidealismus der letzten neunziger Jahre, das Ergebniß saurer Gedankenarbeit, strenger Resignation und – Goethe’schen Einflusses, als vielmehr das schwungvolle, durch eine prächtige Rhetorik getragene, die ästhetischen Theorien siegreich durchbrechende sittliche Pathos. Für die Genüsse der „Regionen, wo die reinen Formen wohnen“, war Körner’s Blick noch zu heiß. Aber die Worte

  1. Karl Theodor Körner, geb. am 23. Sept. 1791 zu Dresden, Sohn des Oberappellationsrathes Körner, des berühmten, vieljährigen Freundes Schillers, studirte 1808 in Freiberg unter Werner, 1809–1811 in Leipzig und Berlin, ging dann nach Wien zu Wilhelm Humboldt und Fr. Schlegel, wurde Hoftheaterdichter, trat 1813 in die Lützow’sche Freischaar, wurde als Lützow’s Adjutant in dem Ueberfalle bei Kitzen schwer verwundet, dann nach dem Waffenstillstande, am 27. August bei Gadebusch erschossen. – „Leier und Schwert“ 1814, Sammlung seiner Vaterlands- und Kriegslieder.
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Friedrich Kreyßig: Die Dichter der Befreiungskriege. A. H. Payne, Leipzig 1870, Seite 215. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kreyssig-Die_Dichter_der_Befreiungskriege.pdf/3&oldid=- (Version vom 10.12.2016)